Der „Miethai“ züchtete Fische

■ Dokudrama über Günter Kaußen, den einst meistgehaßten Vermieter Deutschlands (Sonntag, 22.25 Uhr, West3)

Einige Tage, bevor sich Günter Kaußen an einem Heizungsrohr in seinem Badezimmer erhängte, muß den Kölner Immobilienhändler ein Anflug von Einsicht gestreift haben. „Es war der entscheidende Fehler meines beruflichen Lebens“, vertraute er seinem Anwalt an, „daß man mit Wohnungen nicht umgehen kann wie mit anderen Waren.“

Ob allerdings späte Reue seinen Freitod im Jahre 1985 ausgelöst hat, ist zweifelhaft. Als in den letzten Tagen „verrückt, durchgedreht und vom Verfolgungswahn befallen“ schildern ihn Menschen aus seiner nächsten Umgebung. Claus Strobel hat sie für sein 90minütiges Dokudrama „Ich bin nicht Gott, aber wie Gott“ vor die Kamera geholt, um sich und den Zuschauern ein Bild zu machen von dem „Miethai“ Kaußen, wie er laut Gerichtsbeschluß bezeichnet werden durfte.

Kaußen sammelte seit einer Erbschaft in den sechziger Jahren sanierungsbedürftige Altbauen vor allem in Köln, Hamburg, Essen, Berlin, später auch in den USA und in Kanada wie Briefmarken und drängte in vielen Fällen die Mieter heraus, um die einzelnen Wohnungen an neue Eigentümer gewinnbringend zu verkaufen oder für horrendes Geld an Ausländer weiterzuvermieten. „Er hat kaum Prozesse geführt, sondern nur Psychoterror ausgeübt“, erinnert sich Helmut Schlich vom Deutschen Mieterbund in Strobels Film.

Kaußen stellte ständig überhöhte Forderungen an seine Mieter und ließ Wohnungen gezielt verrotten. Freilich nutzte er dabei auch Gesetzeslücken aus: Bis 1984 waren die Eigentümer nicht verpflichtet, Wohnungen instand zu halten, und wer sie leerstehen ließ, wurde sogar noch steuerlich begünstigt. Auch die Banken gaben dem wirtschaftlich erfolgreichen Kaußen ohne Umstände Kredite.

Claus Strobel mußte sich allerdings ganz auf Informationen aus zweiter Hand verlassen. Von dem öffentlichkeitsscheuen Kaußen gibt es nur wenige, heimlich aufgenommene Fotos und eine Videoaufnahme, die ihn bei der Gartenarbeit zeigt. Auch seine Lebensgefährtin und die vier Töchter standen für den Film nicht zur Verfügung; nach Kaußens Tod hatten sie sich nach Kanada abgesetzt.

Strobel behalf sich mit einigen Spielszenen, in denen der Schauspieler Hermann Lause der skurrilen Persönlichkeit Kaußens Gestalt verleiht. So entsteht ein facettenreicheres Bild als das vom „Schweinehund“, mit dem der ehemalige SPD-Abgeordnete Hans Apel einst den meistgehaßten Vermieter Deutschlands bedacht hatte.

Kaußen sammelte ruhelos Max- Ernst-Gemälde und Bücher, züchtete Fische in rauhen Massen und topfte seine zahlreichen Pflanzen nachts auf den Schreibtischen seiner Angestellten um. „Bei ihm war alles ins Extreme gesteigert“, erinnert sich ein Anwalt. Thomas Gehringer