Der Mann, der zuviel wußte

■ Plutoniumkoordinator Schmidbauer veröffentlicht Dokumente seiner eigenen Verstrickung

Bonn (taz) – Schöne Bescherung im Kanzleramt. Zornig wie Knecht Ruprecht wetterte Geheimdienstkoordinator Bernd Schmidbauer gestern über die Medien, die ihn „wie ein Karnickel“ jagen, und machte dann Geschenke wie ein Weihnachtsmann. Bislang geheime Dokumente des Bundesnachrichtendienstes (BND) ließ er bei seiner Pressekonferenz verteilen. Dabei wurden jedoch auch Papiere freigegeben, die belegen: Der Plutoniumschmuggel am 10.August 1994 von Moskau nach München war eine „eigene Operation“ des BND und wurde durchgeführt, weil man einen „herausragenden Aufgriff“ von Schmugglern für möglich hielt.

Laut Schmidbauer übertrug man dem bayerischen Landeskriminalamt die Hoheit über den Fall, nachdem BND- V-Mann „Rafa“ am 18. und 19.Juli 1994 über die Plutoniumschmuggler berichtet hatte. Der BND sei von da an nur noch „in Amtshilfe“ dabeigewesen. Aus den verteilten Geheimdienstunterlagen geht aber hervor, daß der BND auch noch nach dem 20.Juli unmittelbar an der Tatvorbereitung beteiligt blieb, zumal er mit Rafa und einem Mitarbeiter der BND-Abteilung 11A, in einer „Dolmetscherrolle“ getarnt, die Verhandlungen führte. Das Bundeskanzleramt wurde dabei auf dem laufenden gehalten.

Der damalige Leiter der Abteilung Leitungsdienste des BND, „Gilm“, schreibt in einem Vermerk, man habe sichergestellt, daß die Leitung des Vorgangs „ab Beginn der eigentlichen operativen Phase so dicht wie in kaum einer anderen eigenen Operation des Dienstes unterrichtet wurde“. (Hervorhebung im Original) Ein Mitarbeiter Schmidbauers äußerte gegenüber der taz, es sei ein Fehler, daß man diese Hervorhebung vor der Veröffentlichung nicht gestrichen habe.

An Prämienzahlungen an Rafa sei er, Schmidbauer, nicht beteiligt gewesen, betonte der Staatsminister. Er konnte aber nicht überzeugend aufklären, warum ein BND-Vermerk vom September 1994 davon spricht, daß die von Rafa reklamierte Prämie auf „politischer Ebene“ zu klären sei. Im entscheidenden Moment sei er ohnehin in Urlaub gewesen. Für sich und BND-Chef Porzner sehe er keinen Grund zurückzutreten.

Das SPD-Mitglied im Untersuchungsausschuß, Bachmeier, bezeichnete den Presseauftritt als „merkwürdige Veranstaltung, die substantiell nichts gebracht hat“. Dringender denn je sollte Schmidbauer jetzt vor den Untersuchungsausschuß. Auch das Ausschußmitglied der Grünen, Manfred Such, beklagte, daß Schmidbauer „zur sachlichen Aufklärung leider nicht viel beigetragen hat“.

Holger Kulick Tagesthema Seite 3