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Ein CDU-Mann, den auch die Grünen schätzen

■ Joachim Zeller (CDU) wurde überraschend Bezirksbürgermeister in Mitte. Der 43jährige Slavist gilt als „integre Person“. Nach Ämtern hat er sich nie gedrängt

Gedrängt hat sich der neue Bezirksbürgermeister im „Kanzlerbezirk“ Mitte, Joachim Zeller, nie nach der politischen Verantwortung. „Aber wenn ich in die Verantwortung genommen werde, dann entziehe ich mich nicht.“ So rutschte der 43jährige Slavist, der sich als passiver Teilnehmer der Bürgerbewegung während der Wende sieht, nach und nach in politische Ämter.

Im Januar 1990 war der Katholik in die CDU eingetreten, „zu einem Zeitpunkt, als die Umfrageergebnisse am schlechtesten waren“. Er wollte mitgestalten, bevor wieder alles gestaltet wird. Für ihn stand im Gegensatz zum damals noch diskutierten Reformprojekt DDR die deutsche Einheit auf der Tagesordnung, Grund genug, sich bei den Christdemokraten zu engagieren. Nach den überraschend guten Wahlergebnissen für die CDU im März 1990 wurde er das erste Mal in die Verantwortung genommen. Seit Mai 1990 ist er Bezirksverordneter, drei Monate später wurde er zum Kreisvorsitzenden, 1991 auch in den Landesvorstand seiner Partei gewählt.

Als 1992 der CDU in Mitte ein Stadtratsposten zustand, hatten Freunde ihn gedrängt, das Ressort Gesundheit und Umweltschutz zu übernehmen. Der vierfache Familienvater sieht sich als typischer Krebs, eher zurückhaltend als vorwärtsstrebend. So hat er auch noch „gehörige Manschetten mit der Repräsentationsfunktion“ seines neuen Amtes.

Als Bürgermeister würde er am liebsten eines seiner bisherigen Ressorts Umwelt oder Gesundheit behalten. Hier sind ihm auch seine MitarbeiterInnen ans Herz gewachsen.

„Wir wohnen an einer engen Straße, wo der Verkehr durchtobt“, beschreibt Zeller, der seit Jahren selbst in Mitte wohnt, seine eigenen Erfahrungen mit dem Autoverkehr. Er bedauert daher, manchmal in der Politik „ohne Flügel fliegen zu müssen“, wenn er etwa Parteikollegen für ein Nachtfahrverbot in der überlasteten Brückenstraße gewinnen konnte, dann aber der Verkehrssenator aus der eigenen Partei nicht mitspielte. Privat kann er da konsequenter sein. Seit vor anderthalb Jahren sein damaliges „Familienmitglied Wartburg starb“, ist er auf die öffentlichen Verkehrsmittel umgestiegen.

Auch bei Äußerlichkeiten, die eher an einen bürgerbewegten Grünen erinnern, zeigt er sich konsequent. „Wir haben in der DDR durchgesetzt, daß wir lange Haare tragen durften. Warum sollte ich das jetzt bloß wegen eines Parteibuttons ändern?“ Er will sich nicht verbiegen lassen, auch nicht von seinen Parteifreunden auf Senats- und Bundesebene. Eine Eigenschaft, die auch von der politischen Konkurrenz geschätzt wird. „Zeller ist eine integre Person“, schätzt ihn Frank Bertermann, Fraktionssprecher des Bündnis Mitte. Gereon Asmuth

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