■ Galloways überzeugen eingefleischte Vegetarier
: Herrliche Marmorierung

„Tofu, Tofu, jedesmal Tofu! Das wird doch langsam langweilig!“ Sosehr mich die Wirtin meines Stammlokals schätzt, in letzter Zeit gehe ich ihr ein bißchen auf die Nerven. Ich habe es mir nämlich angewöhnt, jedes Gericht mit Tofu zu bestellen, auch wenn der Koch es gar nicht dafür konzipiert hat – da es sich um mein Stammlokal handelt, bilde ich mir ein, mir solche Unverschämtheiten erlauben zu dürfen. Den Tofu-Tick pflege ich, seit ich mich zu den 90-percentern zähle, wie die Werbebranche in ihrer unnachahmlichen Art mich und die anderen Mitglieder dieser konsumfreudigen „target group“ nennt.

90-percenter – das sind Menschen, die sich fast ausschließlich vegetarisch ernähren. Die Wirtin meines Stammlokals kann das nicht nachvollziehen, denn sie ist überzeugt davon, daß meine Lebensweise nicht gesund ist, ja sie hält das sogar für wissenschaftlich erwiesen. Vor der gastronomischen Laufbahn hat sie im Forschungsinstitut für die Biologie landwirtschaftlicher Nutztiere in Dummerstorf geackert, vermutlich die besten Jahre ihres Lebens dort verschwendet. Doch auch heute noch ist sie auf dem aktuellen Stand der Forschung, weil in ihrem Etablissement jede Woche ein agrarwissenschaftlicher Stammtisch tagt. Die Runde kennt derzeit nur ein Thema: die Fleischqualität von Galloway-Rindern. Während andere Stammtische in diesen Zeiten über Britpop reden, Mario Basler oder Judith Butler, lobpreisen die Agrarwissenschaftler die innovativen Leistungen der Galloway-Zuchtbetriebe, nicht zuletzt deren großen Beitrag zur Gesundheit des deutschen Rindfleischessers. Die Wirtin referiert mir regelmäßig die, wie sie es nennt, Diskussionen, und inzwischen interessieren die mich tatsächlich, weil sich der Stammtisch seit einigen Wochen mit Studien beschäftigt, die Aufschluß geben über den Galloway-Konsum bei 90-percentern. Als ich kürzlich wieder einmal Tofu als zusätzliche Speisebeilage bestellte, fragte sie mich: „Wußtest du schon, daß 97,6 Prozent der Volleyball spielenden 90-percenter einmal pro Woche Galloway- Rindfleisch essen, weil es ihre Sprungkraft auf bisher nicht gekannte Weise fördert? Und wußtest du, daß die Peitschenfreaks unter den masochistischen 90-percentern das auch tun? Galloway- Rindfleisch macht die Haut enorm widerstandsfähig, und deshalb kann man die Schlagfrequenz beträchtlich erhöhen.“ Ich fragte sie, was mich das angehe, erstens spielte ich keinen Volleyball und zweitens... „Ich wollte dir ja nur klarmachen, wie vielschichtig die Gruppe der prinzipiell fleischverachtenden Galloway-Konsumenten ist“, unterbrach sie mich. „Aber unser Stammtisch verfügt auch über Informationen, die dich wirklich etwas angehen. Einige Indizien sprechen nämlich dafür, daß unter den sogenannten Kreativen immer mehr 90-percenter ihre Milchschnitte oder das tägliche Glas Buttermilch verschmähen, weil Galloway-Rindfleisch das Gehirn viel stärker anregt.“

Jetzt hatte sie mich, und so nahm ich noch am selben Abend das Studienmaterial des Stammtisches mit nach Hause, das im Lokal lagerte. Die „sehr feine Muskelstruktur“ wurde da unter anderem gewürdigt, doch was mich mehr beeindruckte, war die „gleichmäßige Verteilung des intramuskulären Fettes (Marmorierung)“. Marmorierung – was für ein Wort! Allein es auszusprechen, ist schon ein Genuß. Wie wird es erst sein, wenn man etwas ißt, was gut marmoriert ist? Seit diesem Abend steht fest: Wenn ich das nächste Mal in mein Stammlokal gehe, bestelle ich mir Galloway-Rind. René Martens

Mit diesem Beitrag bewirbt sich der Autor um den Journalistenpreis der Gallowayzüchter.