Die Stradivari schlug zu

■ Brav erfüllt der Boxer Mike Tyson den Plan seines Managers Don King und setzte mit einem K.o.-Sieg über Buster Mathis jr. den Weg zum Weltmeistertitel fort

Berlin (taz) – „Oooooh! Seht Tyson an! In Stein gemeißelt! In Stein gemeißelt! Adonis! Der fürchterliche Mike Tyson! Besser als je zuvor! Tyson ist bereit! Gestimmt wie eine Stradivari-Violine! Die Zeit des Kampfes ist gekommen! Hier in Philly! Der Stadt brüderlicher und schwesterlicher Liebe! Es wird ein großer Boxabend. On Fox TV, the place to be!

So spricht nur einer: Don King. Es ist gar nicht lange her, da war der Mann mit den dauerhaft gesträubten Haaren ziemlich raus aus dem Box-Geschäft, dafür aber mit einem Bein im Knast. Doch dann kam Tyson (29) aus selbigem, verschrieb seine Seele zum allgemeinen Entsetzen erneut seinem alten Manager, und schon war King, der zudem vor einigen Wochen in einem Gerichtsverfahren wegen Steuerbetrugs freigesprochen wurde, wieder obenauf – und zwar mehr als je zuvor. Grund genug, seinen Goldesel vor dessen Kampf gegen Buster Mathis jr. in den höchsten Tönen zu preisen.

Tyson, zum Wiegen mit der irreführenden T-Shirt-Aufschrift „Property of Allah“ erschienen, wußte, was sich gehörte, und schlug seinen Kontrahenten in der dritten Runde k.o. Niemand hatte anderes erwartet, aber der Kampf, finanziell ein Flop, war auch nur eine kleine Etappe auf Kings Weg zum großen Coup: nichts Geringeres als die Vereinigung der vier Schwergewichtstitel in zwei Fäusten – denen Tysons natürlich, wenn es sich einrichten läßt. „Geld ist nicht unser Ziel“, sagte der Promoter, der seine Karriere einst als kleiner Gauner in Cleveland begann und damals auch ein paar Jahre wegen Totschlags absitzen mußte. „Wir brauchen Übung.“

Dafür kam Buster Mathis jr. (25), Sohn jenes vor wenigen Monaten verstorbenen Buster Mathis, der einst mit Muhammad Ali über die volle Distanz ging, gerade recht. Ein harmloser Bursche, dem selbst sein Daddy lange die Befähigung zum Box-Handwerk absprach. Nicht ganz so harmlos immerhin wie Peter McNeeley, Tysons erster Comeback-Gegner, der nur 89 Sekunden überstand und sich derzeit in einem Werbespot beim Versuch, ein Stück Pizza zu essen, selbst k.o. schlägt. Obwohl Tyson schon sieben Kämpfe in weniger als 60 Sekunden gewonnen hat, dämpfte die McNeeley-Farce die Euphorie um den zurückgekehrten, wegen Vergewaltigung verurteilten Ex-Häftling Nummer 922335 gewaltig. Auf 10.000 Tickets für das 18.000 Leute fassende Spectrum in Philadelphia blieb King sitzen und leistete sich angesichts der leeren Plätze den Luxus, 2.000 Freikarten an unterprivilegierte Bürger der Stadt zu verteilen. Außerdem stellte er seine brüderliche und schwesterliche Liebe unter Beweis, indem er tausend Weihnachtstruthähne für arme Familien stiftete. Auf diese Idee war er eine Woche zuvor beim Schulz– Botha-Kampf in Stuttgart („Mr. Sauerland, you are a sour loser“) noch nicht gekommen.

„Mein Traum ist es, ein Turnier mit den besten Schwergewichtlern der Welt zu veranstalten und den wahren Champion zu ermitteln“, hatte George Foreman im Frühjahr einmal gesagt, so etwas Ähnliches betreibt jetzt Don King, wenn auch mit seinen eigenen Mitteln. Und in diesen ist er nicht wählerisch. Die vielfältige Beeinflussung von Punktrichtern und Verbandspräsidenten gehört ebenso dazu wie die Strategie, die härtesten Brocken des Schwergewichts bis zum Schluß aufzuheben.

King hat früh erkannt, daß er die vier rivalisierenden Boxverbände nur unter einen Hut bekommt, wenn er selbst deren Titelträger unter seinen Fittichen hat. Bei WBC (Frank Bruno), WBA (Bruce Seldon) und IBF (Frans Botha) ist ihm das gelungen, Tyson dürfte keine Schwierigkeiten haben, die drei nacheinander zu schlagen. Das erste Opfer soll Bruno am 16. März sein. Vergeblich versuchte der Brite Lewis, diese Pläne zu durchkreuzen und das Herausforderungsrecht für Bruno einzuklagen. „No way“, stellte King klar. „Ich habe die Vorspeise, das Hauptgericht und das Dessert“, freut er sich ungeniert über die Früchte seiner „harten Arbeit und Strategie“, die er exklusiv genießen will.

Während Tyson abräumt, dürfen sich die wahren Kapazitäten Riddick Bowe, Lennox Lewis, Evander Holyfield, Michael Moorer und George Foreman (letztere boxen am 29. Februar gegeneinander) um den derzeit von Bowe gehaltenen Titel der unbedeutendsten Organisation WBO prügeln. Am Ende steht dann der „100-Millionen-Dollar-Fight“, der endlich wieder einen one and only heavyweight champion of the world bringen soll. Wenn das tatsächlich vollbracht ist, käme man nicht umhin, sogar Don King ein wenig Lob zu spenden. Matti Lieske