■ Scheibengericht
: Frank Schöbel

„Jetzt oder nie“ (Portrait / Sony)

Frank Schöbel muß einem in vieler Hinsicht wie der quotierte Mann vorkommen. Seit dreißig Jahren ist er ein ostdeutscher Schlagerstar, seit kurzem hat er (was Wunder!) einen Major-Plattenvertrag mit Sony, und als ob das nicht genug wäre – er steht auch noch auf dieser Seite hier. Und: Er hat es verdient! Schöbels Stimme ist weich und nicht süßlich, seine Inhalte biedern sich nicht an und wirken deswegen ehrlich. Das Album „Jetzt oder nie“ ist in jeder Beziehung ein Lebenswerk. Es nimmt noch einmal, schon in der Gestaltung des Booklets, von der DDR Abschied, will die Zuhörer aber gleichzeitig für das Leben „danach“ ermutigen, mit Jobsuche, „dem schönen Wort Freiheit“ und dem „Leben für sich allein“.

Frank Schöbel, erster Schlagersänger der DDR, hat sich nicht wichtig gemacht, als nach 1989 kein Hahn mehr nach ihm krähte. „Wenn mich der Westen nicht will, dann nicht“, so hatte er abgeschlossen, jedoch den Rückzug ins Private offenbar besser genutzt als andere die Öffentlichkeit. „Jetzt oder nie“ erzählt von der Angst vor „grenzenloser Nähe“ und meint einfach nur Liebe. Das beliebte Genre des „Tschüß DDR!“- Liedes ist allerdings auch vertreten. „Gestern ist schon vergangen“ heißt der Song und findet für das Abnabeln von Vater Staat und Mutter Partei so karge Wahrheiten wie diese: „Es ist schwer alleine / es war schwer mit dir / du bist schon fern / und doch noch hier.“ Ansonsten ist des Schlagersängers Brot natürlich die Liebe in all ihren Wucherungen. Sehr schön und anrührend kommt eine Cover-Version von „Schreib es mir in den Sand“, jenes Songs, mit dem sich die ungarische Pop-Band Omega einst in die Herzen unzähliger Ostler sang. Auch das ist Traditionspflege, und wenn man dann schöner weint, liegt das ganz allein an den Blueprints der Erinnerung: „Sags dem ruhlosen Wind / wie ein Glück beginnt.“ Schnief! Frank Schöbel jedenfalls scheint immer noch ganz unprätentiöse Lauterkeit: Nicht mehr der Junge, sondern ein Mann von nebenan, der die gesellschaftliche Wachablösung innerhalb der Möglichkeiten seines Genres verarbeitet hat, statt sie zu überträllern. Das tat er nicht für Super-Illu. Das Booklet von „Jetzt oder nie“ ist mit den Verwaltungssignifikaten des Schöbel-Lebens illustriert, der „Trainingskarte des Radsport- Organisationsbüros“, dem „Berechtigungsschein zur Fahrerlaubnis Klasse 4“, der Akkreditierung für das „World Popular Song Festival in Tokyo 1972“. „Frank Schöbel, Singer“ steht auf letzterer, so einfach ist das manchmal. Überhaupt hat diese CD nur bedingt mit dem sogenannten (unübertroffenes RIAS-Wort) DDR-Revival zu schaffen. Am 11. Dezember ist Frank Schöbel 53 Jahre alt geworden. Er wird wie guter Wein mit der Zeit immer besser. Herzlichen Glückwunsch auch dem Publikum. „Schöbel. Man gönnt sich ja sonst nichts.“