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Europa hört nicht an der Oder auf

EU-Regierungen beschließen einen Zeitplan für die Osterweiterung. Ein politischer Rahmen für die Währungsunion soll geschaffen werden  ■ Aus Madrid Alois Berger

Spätestens Anfang 1998 will die Europäische Union die Beitrittsverhandlungen mit den mittel- und osteuropäischen Staaten sowie mit Malta und Zypern aufnehmen. Auf dem EU-Gipfel in Madrid einigten sich die 15 Staats- und Regierungschefs darauf, sechs Monate nach Abschluß der Regierungskonferenz in konkrete Aufnahmegespräche einzutreten. Als Beginn dieser Reformkonferenz, die sich mit allen Folgetreffen ein Jahr hinziehen soll, wurde der 29. März nächsten Jahres festgelegt.

Die Regierungskonferenz war 1992 in Maastricht beschlossen worden, um einen politischen Rahmen für die Währungsunion zu schaffen. Dabei sollte in erster Linie eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und eine engere Zusammenarbeit bei der Justiz- und Innenpolitik aufgebaut werden. Außerdem sollen neue Abstimmungsregeln gefunden werden, damit nicht immer ein einzelnes Land mit seinem Veto die Beschlüsse einer Mehrheit blockieren kann.

Die Bundesregierung, so wurde am Samstag am Rande des Gipfels bekannt, möchte außerdem dem Kommissionspräsidenten mehr Macht über seine Kommissare geben. Berichte würden sich häufen, daß einzelne Kommissare ihre Arbeit zumindest nach außen hin nicht ernst genug nehmen und mitunter ihre Kollegen brüskierten. Manche kämen erst dienstags und gingen schon donnerstags.

Vor einem Jahr hatten Griechenland und Spanien ihre Zustimmung zur Osterweiterung davon abhängig gemacht, daß ein halbes Jahr nach der Regierungskonferenz zuerst Aufnahmeverhandlungen mit Malta und Zypern beginnen sollen. Sie hofften, die ungeliebte Osterweiterung dadurch zu verzögern. Auf Drängen der Bundesregierung einigten sich die Staats- und Regierungschefs jedoch am Samstag in Madrid, mit allen Interessenten gleichzeitig die Verhandlungen aufzunehmen.

Die Europäische Kommission in Brüssel wurde beauftragt, bis Mai 1997 ein Gutachten vorzulegen, welche Länder die technischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für einen EU-Beitritt erfüllen. Seit rund einem Jahr unterstützt die EU sowohl finanziell als auch durch Zusammenarbeit auf Expertenebene die Anpassungsbemühungen in allen zwölf Kandidatenländern von Estland bis Slowenien.

Die Bundesregierung geht davon aus, daß in zwei Jahren nur Ungarn, Polen, Tschechien und Malta so weit sein werden. Zypern stellt wegen seiner Teilung ein politisches Problem dar. Gegen das ehemals jugoslawische Slowenien, das wirtschaftlich am weitesten fortgeschritten ist, hat Italien noch Vorbehalte, solange die Eigentumsansprüche italienischer Bürger in Istrien nicht geklärt sind.

Ausdrücklich dementierte Bundeskanzler Kohl einen Bericht der Financial Times, die Bundesregierung wolle die drei mitteleuropäischen Länder bevorzugen und eine neue Grenze durch Europa ziehen. Es gehe allein darum, sagte Kohl, wer 1998 die Voraussetzungen erfülle. Darüber werde das Gutachten der Europäischen Kommission entscheiden.

Die Freude von Kohl und seinem Außenminister Kinkel, der von einem „Durchbruch“ sprach, wurde getrübt durch die Weigerung des französischen Präsidenten Jacques Chirac, selbst an der Regierungskonferenz teilzunehmen. Chirac will damit eine Reihe von EU-Regierungen bestrafen, die in der UNO für eine Verurteilung der französischen Atomtests gestimmt hatten. Nun sollen nicht die Regierungschefs, sondern nur die Außenminister die Konferenz regelmäßig besuchen.

Dadurch sinken die Chancen auf einen Erfolg. Denn im Gegensatz zu den Chefs müssen die Außenminister bei jeder Kleinigkeit Rücksprache mit ihren Regierungen halten und haben damit keinen echten Verhandlungsspielraum. Doch ohne eine Einschränkung der Vetomöglichkeiten, wie sie jetzt bestehen, ist eine Union mit 18 oder mehr Mitgliedern endgültig handlungsunfähig.

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