Die Angst als Wahlsieger

■ In Österreich bleibt nur die Große Koalition SPÖ/ÖVP

Also doch Franz Vranitzky und – höchstwahrscheinlich – die Neuauflage der Großen Koalition. Österreichs Wähler sind vor der drohenden rechtskonservativen Machtübernahme zurückgezuckt. Aber selten zuvor waren sie vor der Wahl so hin- und hergerissen gewesen. Und selten zuvor war der Wahlausgang so offen: Ein Drittel der Österreicher hat sich erst gestern entschieden. Der Souverän der Zweiten Republik war nicht zu beneiden. Denn am Ende ging es nur noch um die Abwägung zwischen zwei Übeln.

Die Alternative: Soll alles in Österreich so weitergehen wie seit Jahrzehnten, in denen die Sozialdemokraten ununterbrochen an der Macht waren? Soll wieder eine Große Koalition das Land regieren, die angesichts ihrer satten Mehrheit nur Proporz- und Interessenpolitik betrieben hat? Oder das Wagnis: den rechten Bürgerblock aus Volkspartei und Haiders „Freiheitlichen“?

Am Ende hat dann doch die Angst gesiegt. Die Angst vor einem Jörg Haider in der Regierung, die Angst vor dem selbsternannten „Ausmister“, der vielleicht auch die eigenen Besitzstände angreifen könnte, die Angst vor einem radikalen Rechtsruck der Republik. Und die Angst vor einem Gesichtsverlust Österreichs im Ausland – interessanterweise eines der am häufigsten genannten Argumente.

Furcht vor Reaktionen des Auslands war es auch, die zum Schluß den ÖVP- Chef Schüssel zurückwarf. Der wollte eine Koalition mit Haider selbst dann nicht ausschließen, als Haiders selbstentblößende Rede vor SS-Veteranen und Kriegsverbrechern enthüllt worden war. Daß eine ÖVP/SPÖ-Koalition die Demokratie beschädigen würde, diskutierte man in Wien eher beiläufig.

Franz Vranitzky ist mit seinen Sozialdemokraten noch einmal davongekommen. Doch die Zeiten politischer Stabilität sind vorbei. Denn jetzt beginnt eine Phase unendlich zäher Koalitionsverhandlungen, vermutlich wie zuvor mit der ÖVP, denn für andere Mehrheiten jenseits der „Freiheitlichen“, etwa eine Koalition zwischen SPÖ, Grünen und Liberalen, reicht es nicht. Für Österreich wird deshalb entscheidend sein, ob sich die fast schon verfeindeten Ex-Koalitionspartner ÖVP und SPÖ noch einmal zu einer Regierung zusammenraufen können.

Die unfreiwilligen Partner müssen eines versuchen: den Bürgern glaubhaft zu machen, daß sie nicht genauso weitermachen wie zuvor. Gelingt das nicht, dann wird das Spiel wieder von vorn beginnen und Jörg Haider wie bisher der einzige Gewinner sein. Daniel Asche