Beton, und was draus werden könnte

■ Förderpreis Beton des Zentralverbandes Zement ging in diesem Jahr an drei Bremer Architekturstudenten

„Es kommt drauf an, was wir draus machen“. Nämlich aus Beton. Mit diesem Spruch wirbt seit einigen Jahren der Kölner Bundesverband der deutschen Zementindustrie, besorgt um das Image des Werkstoffes, mit dem gemeinhin die Unwirtlichkeit der Städte in Verbindung gebracht wird. Der Verband macht allerdings noch mehr als bunte Werbekampagnen. Zum Beispiel lobt er alljährlich einen Förderpreis aus, der Nachwuchs-ArchitektInnen an bundesdeutschen Universitäten und Fachhochschulen in ihrem Schaffen ermutigen soll. „Es kommt uns nicht drauf an, daß in den Entwürfen unbedingt Beton vorkommt“, sagt Friedbert Kind-Barkauskas vom Zentralverband. Aber es läßt sich fast nicht vermeiden.

In diesem Jahr gingen die drei Förderpreise erstmalig an die Hochschule Bremen. Ausgezeichnet für „materialgerechtes Entwerfen mit einer signifikanten Formgebung und einem eigenständigen ästhetischen Ausdruck“, wie es im schönsten Laudatio-Jargon heißt, wurden Dierk Jordan für seine Diplomarbeit über den Erweiterungsbau des Übersee-Museums, Andreas Wenning für ein interdisziplinäres Kommunikationszentrum und Frank Kleymann für „Wartezimmer für Katz und Maus“, die Neugestaltung einer Kleintierpraxis mit Event-Charakter.

„Wie kommen die Bilder in die Welt?“ war die Ausgangsfrage, die sich Dierk Jordan gestellt hatte, bevor er seine Planung für den Archiv-Anbau des Überseemuseums, angesiedelt auf dem Gelände des Frachtzentrums der Bahn AG, begann. Dabei hatte er alles andere als Beton im Kopf, einen Werkstoff, gegen den er „angesichts der städtebaulichen Auswüchse große Bedenken“ hat. Er orientierte sich in seiner Arbeit „Schichten, Ränder, Kanten“ vielmehr an dem New Yorker Künstler Gordon Matta Clark, der Stadtbrachen mit dem Preßlufthammer zu Leibe rückt, um die „Innereien“ von Gebäuden bloßzulegen. Wie sieht eine Wand im Querschnitt aus, welche „cuttings“ muß ich anlegen, um Armierungen, um Außen und Innen eines Bauwerks freizulegen. Jordans Planung bringt in seinem vielfach verschachtelten Modell, das selbst wie ein durch viele Schnitte „offengelegtes“ Bauwerk anmutet, Archiv, Aquarium und Vortragsaal unter; ein Übergang in luftiger Höhe verbindet Haupt- und Anbau. Warum in seiner Planung Beton vorkommt, hat statische Gründe. Denn moderner Beton – als Stahl- oder Spannbeton oder sogar glasfaserverstärkt – habe Materialeigenschaften wie kein anderer Werkstoff. Und das Kühle und Glatte, das bundesweit aus unzähligen Sichtbetonfassaden strahlt, ist für Jordan eine „gewollte“ Qualität. Nur nicht als „großteilige“ Flächen, sondern pointiert. Gibt es Chancen, daß der Übersee-Erweiterungsbau jemals realisiert wird? Kaum, sagt Dierk Jordan. Denn eigentlich sollen auf dem Bahngelände auf 100.000 Quadratmetern lukrative Büroräume hochgezogen werden und kein Archivgebäude. Doch die Freiheit, nicht für akute städtebauliche Erfordernisse planen zu müssen, nimmt man sich in der Hochschule Bremen. „Es ist schon schwer genug, kreative Freiräume in dem 90- Minuten-Turnus der Hochschule zu schaffen“, sagt Norbert Hellwig, Professor am Fachbereich Architektur. Hellwig war es auch, der die drei Studenten dem Zentralverband Beton vorgeschlagen hat, der in ständigem Kontakt mit den Hochschulen steht.

Schöne Utopie ist auch Andreas Wennings „On the white cliffs“. Auf die Kreideklippen von Dover will Wenning ein interdisziplinäres Kommunikationszentrum stellen. „Von Europa zu Europa“ soll der Blick der WissenschaftlerInnen gehen, die einmal hier tagen sollen, begründet Wenning den Standort Dover. Für den er niemals eine Baugenehmigung bekommen würde. Nicht nur, weil Unmengen von Beton den Bau gegen Wind und Wetter schützen und auf der Klippe halten müssen. Eine Vorliebe für Beton hat auch er nicht, aber in seiner Zunft habe Beton auch kein negatives Image.

„Nicht der Beton ist schuld, sondern die Menschen, die mit ihm umgehen“, findet auch Friedbert Barkauskas vom Zementverband. Besonders in den 80er Jahren habe der Beton ein Imageproblem gehabt, was aber an der schlechten Qualität läge, mit der der Beton verbaut wurde.

Den kannten übrigens schon die alten Römer. Als „opus cementium“ verwandten sie mehrschichtiges Mauerwerk, um etwa das Pantheon in Rom zu bauen. Das ist mit den je 1.000 Mark, die der Förderpreis den Bremer Studenten bringt, nicht zu bauen. Aber ein Anstoß ist es trotzdem: Dierk Jordan ist schon für den noch ein wenig renommierteren Karl-Engelland-Preis im Gespräch.

Alexander Musik