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SanssouciNachschlag

■ Andreas Kriegenburg inszenierte Ibsen mit HdK-Absolventen

Die Kunst der Assoziation: Auf dem Programm steht Ibsens „Nordische Heerfahrt“, doch die Bühne sieht aus wie ein präkolumbianisches Ballfeld. Seitlich führen Treppchen nach oben, die jedoch zu klein sind, um darauf zu treten. Auf solchen Plätzen fanden Spiele statt, bei denen die Sieger geopfert wurden. Zu Ibsens Nibelungenvariante von 1858, die im Norwegen des 10. Jahrhunderts spielt, paßt dieser Ort (Bühne: Johanna Pfau) viel besser als der schönste Fjord. Denn die Geschichte könnte aussichtsloser nicht sein. Bei der Brautwerbung auf Island ermordete Sigurd der Starke für seinen Freund Gunnar den Eisbären, der die stolze Hjördis bewachte, und beschied sich mit der zaghafteren Dagny. Unter blutigen Umständen kommen die Paare Jahre später wieder zusammen, und Hjördis und Sigurd – beide heldenhaft stark und von ihren Partnern innig geliebt – gestehen sich endlich ihre Liebe. Um zusammenzukommen, gibt es indes keine andere Möglichkeit als den Tod. Hjördis ermordet Sigurd, und er kann ihr gerade noch sagen, daß er Christ geworden ist. So reitet Hjördis allein nach Walhall.

Ein Heldenepos, ein Rührstück und in der absurden Abfolge drastischer Ereignisse durchaus auch ein Comic. Andreas Kriegenburg (vormals Volksbühne, ab nächster Spielzeit Staatsschauspiel Hannover), der dieses selten gespielte Ibsenstück als Gastprofessor mit Schauspiel-AbsolventInnen der Hochschule der Künste inszenierte, zeigt vor allem diese Seite des Dramas und fügt noch ein weiteres hinzu: Ellida aus Ibsens „Frau vom Meer“ (1888) spaziert im weißen Kleid zwischen all den wüsten Wikingern herum und klagt über die Sehnsucht nach einem geheimnisvollen Fremden. Als ihr Mann (Matthias Matschke) ihr freistellt zu gehen, beschließt sie zu bleiben; am Ende liegen beide auf dem Boden, die Köpfe stecken in Blecheimern. Dagny (Sibylla Rasmussen) aus der „Nordischen Heerfahrt“ ist noch nicht ganz so weit. Zwar erkennt sie, daß sie für Sigurd (Tim Grobe) nicht geschaffen ist, doch sie klammert sich buchstäblich an ihn. In einer schönen Szene kauert sie auf seinem Rücken, später läßt sie sich immer wieder wegschleudern. Getrieben und letztlich doch kraftlos sucht sie eine Zweisamkeit, die sich (siehe Ellida) bestenfalls in gemeinsamer Erschöpfung erfüllen kann.

Kriegenburg zeigt die Liebenden als Platzhalter einer uralten Geschichte, in der der Platz doch stets nur für einen reicht, und konfrontiert auch sonst das Tragische mit der banalen Zwanghaftigkeit des Daseins. Die Wikinger sausen über die Bühne, verhaspeln sich in ihrem Pathos oder stolpern beim Kampf über ihre Ausrüstung. Es ist eine zauberhaft melancholische Sicht auf die Vergeblichkeit jedweden Tuns, die den Slapstick zur reinsten Form des Dramas erhebt. Doch die Schauspieler des HdK-Ensembles können dem Läppischen nur selten jene irrwitzige Poesie entreißen, die ein Versuch wie dieser bräuchte. So bleibt das Ballfeld ein Spielplatz und der Kriegenburgsche Schicksals-Strip ein Nummernprogramm mit langen Pausen. Petra Kohse

Bis 22. 12., 19 Uhr, HdK-Theatersaal, Fasanenstraße 1b

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