Bosnier erstritten Aufenthaltsbefugnis

■ Gericht verhilft 23 jungen Flüchtlingen zu Arbeitserlaubnis und spart damit Sozialkosten. Land Berlin klagt dagegen

Dreiundzwanzig junge bosnische Kriegsflüchtlinge können aufatmen. Das Verwaltungsgericht hat gestern ihrer Klage auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis stattgegeben. Somit können sich die jungen BosnierInnen, die seit über vier Jahren mit einer sogenannten Kettenduldung von jeweils sechs Monaten in Berlin leben, um einen Ausbildungsplatz bewerben. Sie hatten im September einen berufsvorbereitenden Kurs bei der Gesellschaft für berufsbildende Maßnahmen e.V. abgeschlossen.

Richter Norbert Kunath hatte bereits im August in einem Präzedenzfall eines Bosniers entschieden, daß die Aufenthaltsberechtigung bosnischer Bürgerkriegsflüchtlinge nicht an die Erwerbstätigkeit gekoppelt sein muß. Er begründete auch seine gestrige Entscheidung mit der Rechtswidrigkeit einer Kettenduldung. Kunath findet es völlig unverständlich, daß das hochverschuldete Land Berlin lieber „vermeidbare“ Sozialhilfekosten ausgibt, statt arbeitsfähigen Flüchtlingen eine Aufenthaltsbefugnis zu erteilen, die zur Aufnahme einer Arbeit nötig ist. Ohne Arbeit erhielten bosnische Flüchtlinge bislang nur den Duldungsstatus, der mit erheblichen Einschränkungen verbunden ist.

Als „nicht nachvollziehbar“ bezeichnete Kunath die Tatsache, daß der Kurs der 23 bosnischen Flüchtlinge mit 300.000 Mark vom Land Berlin finanziert wurde, ihnen die für eine Ausbildung nötige Aufenthaltsbefugnis aber verwehrt wird. Als er vor zwei Wochen der Klage von sechs bosnischen Zimmerleuten auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis recht gab, rechnete er vor, daß das Land Berlin damit über 100.000 Mark Sozialhilfe spart. „Einerseits wird gejammert über Sozialhilfe, andererseits wird das nicht verhindert“, kritisierte Kunath. „Bei mir kriegt jeder Bosnier eine Aufenthaltsbefugnis“, so der Richter. Das Pilotverfahren im Sommer hat bereits weitere Klagen nach sich gezogen. Dennoch zeige das gestrige Verfahren nur die „Spitze eines riesigen Eisberges“. Von den 26.000 bosnischen Kriegsflüchtlingen in Berlin haben nur 1.600 eine Aufenthaltsbefugnis.

Florian Kerkau, Sozialpädagoge bei der Gesellschaft für berufsbildende Maßnahmen, ist „sehr erfreut“ über das gestrige Urteil, gegen das die Ausländerbehörde Beschwerde einlegen will. Auch Kerkau hofft, daß sich dadurch die bisherige Praxis ändert.

Richter Kunath beklagt zudem eine fehlende Kooperation der Senatsverwaltung für Inneres. Die Behörde halte ihm Informationen des Bundesinnenministeriums vor. So warte er trotz gerichtlicher Aufforderung noch immer auf eine Initiative von Bundesinnenminister Manfred Kanther, nach der jugendlichen Kriegsflüchtlingen eine Aufenthaltsbefugnis erteilt werden solle. „Berlin hat die restriktivste Ausländerpolitik der BRD“, kritisiert Richter Kunath. Die Innenverwaltung war gestern zu einer Stellungnahme nicht zu erreichen. Barbara Bollwahn