Eine halbe Million für Rabins letzte Minuten

■ Zum Prozeßbeginn gegen den Mörder zeigt Israels Fernsehen ein Amateurvideo

Tel Aviv (taz) – Unter dem Vorsitz von Richter Edmund Levi beginnt heute vor dem Bezirksgericht in Tel Aviv das Verfahren gegen Jigal Amir, den geständigen Mörder des israelischen Ministerpräsidenten Jitzhak Rabin. Nach der Verlesung der Anklageschrift wird voraussichtlich nur das Datum für die Fortsetzung des Prozesses festgelegt. Der neue Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt Mordechai Oferi, hat um Aufschub gebeten, weil er mehr Zeit für seine Vorbereitung benötigt. Die Verteidigung wird mit Hilfe von Geldern rechtsextremer jüdischer Kreise in den USA finanziert.

Allgemein wird damit gerechnet, daß Oferis Antrag stattgegeben wird, der eigentliche Prozeß daher erst im Februar stattfindet. Nach israelischem Recht kann Amir maximal zu einer lebenslänglichen Gefängnisstrafe verurteilt werden.

Am heutigen Abend wird das israelische Fernsehen einen Film ausstrahlen, den ein Tel Aviver Videoamateur von dem Attentat auf Rabin am 4. November gedreht hat. Es soll sich um die einzige filmische oder fotografische Dokumentation des Ereignisses handeln. Das zweite israelische Fernsehen und die Zeitung Jediot Ahronot sollen dem Filmer, einem 37jährigen Beamten, der bisher anonym geblieben ist, umgerechnet 550.000 Mark dafür bezahlt haben. Der Amateurfilmer hat seinen Streifen angeblich auch mehreren US-amerikanischen und europäischen Fernsehstationen angeboten. Diese zeigten zwar großes Interesse, waren jedoch nicht bereit, die geforderte Summe zu bezahlen.

Der achtminütige Film, der zuerst von der Schamgar-Untersuchungskommission begutachtet wurde, die die Umstände der Ermordung Rabins ermitteln soll, zeigt angeblich die letzten Minuten in Rabins Leben sowie den Mord. Die zwei Minuten davor verfolgt die Kamera den Mörder, den 25jährigen Studenten Jigal Amir. Warum sich der Filmer dermaßen für dessen Anwesenheit interessierte, ist bisher unerklärt. Allerdings hat sich der Viedeoamateur bereit erklärt, im Zusammenhang mit der Ausstrahlung zu einem Interview vor der Kamera zu erscheinen.

Trotz der allgemeinen Spannung, mit der die Ausstrahlung des Filmes in Israel erwartet wird, ist es unwahrscheinlich, daß dieser tatsächlich neue Erkenntnisse über den Mord bringt. Denn der Film wurde nach Sonnenuntergang, aus größerer Entfernung und von einem Dach, also aus der Vogelperspektive, aufgenommen.

Es wird eng für Herrn „K“, Israels Geheimdienstchef

Unterdessen wurde bekannt, daß die von der Regierung eingesetzte Untersuchungskommission Vorwarnschreiben an sieben führende Sicherheitsbeamte geschickt hat. Darin werden die Betroffenen darüber informiert, daß sie von der Kommission voraussichtlich als für an Rabins Tod mitschuldig befunden werden. Die so Vorgewarnten sind der gegenwärtige Chef des Geheimdienstes Schabak (dessen Name nicht veröffentlicht werden darf und der offiziell nur als „K“ bekannt ist), die fünf Direktoren jener Schabak-Abteilungen, die sich mit jüdischen Angelegenheiten und mit der Bewachung hochgestellter Persönlichkeiten befassen, und ein hoher Polizeioffizier. Die Betroffenen werden sich jetzt die Dienste hochqualifizierter Rechtsanwälte zu ihrer Verteidigung sichern. Es gilt als wahrscheinlich, daß weitere Personen ähnliche Schreiben bekommen werden.

Vieles weist jetzt darauf hin, daß den israelischen Geheimdiensten eine gründliche Reform bevorsteht. Es gilt als höchst unwahrscheinlich, daß der gegenwärtige Schabak-Chef seinen Posten noch lange behalten wird. Allerdings zieht es der Regierungschef und Nachfolger Rabins, Schimon Peres, vor, derzeit noch keine Schritte gegen „K“ zu ergreifen, sondern das Endresultat der amtlichen Untersuchung abzuwarten. Amos Wollin