Auf in eine neue alte große Koalition

Noch strahlt Österreichs sozialdemokratischer Wahlsieger Vranitzky. Bald aber wird er mit seinem unwirschen Rivalen Schüssel über eine Fortsetzung der Regierung verhandeln  ■ Aus Wien Daniel Asche

Der unverhoffte Sieger wirkte wie neugeboren, als er spontan vor Hunderte begeisterte SPÖ-Anhänger trat, ein Franz Vranitzky wie in alten Tagen. So deutlich hatte es wirklich niemand erwartet in Österreich: 3,5 Prozent konnten die SozialdemokratInnen am Sonntag im Vergleich zur Wahl im letzten Jahr zulegen.

Erstmals seit 1986 gab es damit eine Umkehr vom unaufhaltsamen Abstieg der Partei. Mit 38,3 Prozent ist Vranitzky jetzt klar in Führung. Am Sonntag abend telefonierten die Parteistrategen hektisch die Liste der Wiener Restaurants herunter: Man hatte aus Angst vor Leichenstimmung erst gar keine Wahlparty angesetzt, jetzt wollten die GenossInnen aber feiern. Deshalb zogen sie mit Kerzen durch den Nieselregen, umarmten sich, vergossen echte Freudentränen. Kanzler Vranitzky wird wohl wieder von Bundespräsident Klestil mit der Regierungsbildung beauftragt werden. Gestern begannen bereits innerparteiliche Beratungen über den künftigen Kurs.

Gerechnet wird mit einer Neuauflage der Koalition mit der Österreichischen Volkspartei ÖVP. In deren Parteizentrale war die Stimmung am Wahlabend verbissen. Stumm verfolgten die zahlreich erschienenen Schüssel-Gefolgsleute die abendliche Fernsehrunde. Da war ihr Parteichef Wolfgang Schüssel noch schmallippiger als sonst und sprach von harten Koalitionsverhandlungen. „Es werden schwere Tage für Vranitzky“, meinte er grimmig lächelnd. Auch jetzt noch schließt er eine Koalition mit Jörg Haiders „Freiheitlichen“ nicht aus. Doch das führt sogar bei den eigenen Getreuen nur noch zu gequältem Stöhnen – für dieses Mal ist diese Variante allem Anschein nach vom Tisch. In der Not applaudieren die Anhänger Schüssels dann eben dem Haider, wenn der im Fernsehen als Erfolg vermeldet, daß eine Million Wähler nun fest zu seinem Gefolge gehören.

Wolfgang Schüssel hat hoch gepokert, als er die Neuwahlen im Oktober provozierte. Seine Schreckensgemälde von Staatsnotstand und Finanzdesaster haben die Wähler wohl nicht überzeugt. Mit 28,3 Prozent konnte er nur 40.000 Stimmen hinzugewinnen. Trotzdem sagte er noch am Wahlabend, es sei richtig gewesen, sich nicht von den Freiheitlichen klar zu distanzieren.

Auch Jörg Haider ist über sein Ergebnis von 22,08 Prozent enttäuscht. Das sagt er zwar nicht so deutlich, aber an Details wird erkennbar, wie stark ihn wohl die Enthüllungen der letzten Woche getroffen haben: Die Akkreditierung des ARD-Fernsehteams zur langen Wahlnacht seiner Partei wurde kurzfristig annuliert.

Die wahren Verlierer dieser Wahl sind allerdings Österreichs Grüne. Sie haben 2,7 Prozent der Stimmen verloren und liegen nun bei 4,6 Prozent. Weil in Österreich eine Vierprozenthürde gilt, sind sie allerdings weiterhin im Parlament. Es wird Madeleine Petrović, im letzten Jahr noch der Shooting- Star der Partei, nichts anderes übrigbleiben, als ihren Rücktritt anzubieten. Vermutlich wird die Partei sie aber auch weiterhin an der Spitze haben wollen. Starke Unsicherheiten innerhalb der Grünen über die eigentlichen politischen Ziele seien einer der Auslöser für die Niederlage gewesen, vermutet Wiens Parteichef Peter Pilz gegenüber der taz: „Bei einer so kleinen Partei spüren das die Wähler und verzeihen es nicht. Viele grüne Stammwähler sind wohl auch aus Angst vor einer ÖVP-FPÖ-Koalition zu den Sozialdemokraten gewechselt.“

Bleiben die Liberalen. Heide Schmidt und ihre kleine Schar hat zwar von den Grünen Wähler gewonnen, viele allerdings an die SPÖ verloren. Ihre Partei wird aber mit 5,3 Prozent vierte Kraft im neuen Parlament. Sie könnte sogar Regierungspartei werden: Denn Vranitzky hat da eine Lieblingsidee, der auch Schmidt nicht abgeneigt ist: Eine große Koalition aus SPÖ, ÖVP und den Liberalen. Vranitzky erhofft sich von der kleinen Partei wohl eine Schiedsrichterfunktion bei den harten Verhandlungen mit Schüssel.

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