Shell Nigeria handelt erst, prüft dann

Ölkonzern erteilt Auftrag für Umweltuntersuchungen im Nigerdelta. Unabhängiges Consulting-Büro warnt vor den Folgen der milliardenteuren Gasverflüssigungsanlage  ■ Von Hermann-Josef Tenhagen

Berlin (taz) – So ganz sicher sind sich die Manager von Shell bei ihren Aktivitäten in Nigeria offenbar nicht. Der Ölmulti hat am Wochenende jedenfalls einer großen Consulting-Firma den Auftrag gegeben, Untersuchungen zu den ökologischen Folgen der Ölförderung in Nigeria anzustellen. „Eine solche Studie für die Niger Delta Environmetal Study Group war aber seit Monaten in der Planung“, sagte Eric Nickson von Shell in London.

Den Auftrag erteilte Shell, nachdem der Beschluß über die milliardenteure Gasverflüssigungsanlage in Bonny an der nigerianischen Küste gefällt worden war. Shell rechtfertigt die Gasverflüssigungsanlage mit den 6.000 Jobs, die beim Bau entstünden, und den langfristigen ökologischen und ökonomischen Vorzügen der Gasverflüssigung für Nigeria: weniger Luftverschmutzung und nach der Jahrtausendwende ein zweites ökonomisches Standbein. „Die Anlage ist gut für Nigeria, auch wenn wir die politischen Aufrufe zum Stopp der Anlage verstehen können“, so Shells nigerianischer Statthalter Brian Anderson.

Experten vermuten, daß Shell mit dem jetzt kommissionierten Umweltgutachten auch einen Teil der Kritik an der Gasverflüssigungsanlage abfangen will. Eine Reihe von Regierungen, darunter auch Südafrikas Premier Nelson Mandela, hatten einen Ölboykott Nigerias und einen Stopp der Baupläne verlangt. Ein Boykottaufruf war auch von allen Fraktionen des Bundestages unterstützt worden. Auf EU-Ebenen hatten die Niederlande und Großbritannien den Ölboykott allerdings verhindert.

Das Gutachten, das Shell nun in Auftrag gegeben hat, kommt Tage nachdem in Großbritannien ein anderes Umweltgutachten zur geplanten Shell-Fabrik in Bonny bekanntgeworden war. Phil Smith von Aquatic Environmental Consultants hatte Shell vorgeworfen, das Für und Wider der Gasverflüssigungsanlage nicht richtig überprüft zu haben. Für die Umweltverträglichkeitsprüfung seien wegen der Kürze der Zeit entscheidende Informationen gar nicht erhoben worden, schreibt Smith in seiner Expertise im Auftrag von Body Shop. „Für das Gutachten sind offensichtlich keine Daten erhoben worden, wieviel weniger Gas nach der Inbetriebnahme der Anlage abgefackelt wird“, so Smith.

Auch die Informationen über die ökologischen Auswirkungen der Gaspipeline von den Ölfeldern nach Bonny an die Küste seien unzureichend. Nicht geprüft worden sei zudem, ob man nicht lieber eine Gasversorgung der Bevölkerung in Nigeria planen sollte, statt das Gas mit hohem technischen und finanziellen Aufwand auf minus 161 Grad Celsius zu kühlen, es so zu verflüssigen und anschließend mit sechs Spezialschiffen in andere Länder zu exportieren. Eine Risikoanalyse für die Gasverflüssigungsanlage, die Spezialschiffe und die Pipeline fehle sogar völlig, moniert Smith. Das sei angesichts der politischen Unsicherheit in Nigeria eigentlich unverständlich.