DDR-Unterhändler Vogel soll in den Knast

■ Staatsanwalt will über drei Jahre Haft für den Anwalt. Urteil fällt im Januar

Berlin (taz/dpa) – Der frühere Unterhändler der DDR, Wolfgang Vogel, soll für dreieinhalb Jahre in den Knast. Das forderte gestern vor dem Landgericht in Berlin die Staatsanwaltschaft. Im Prozeß gegen den einstigen Honecker-Vertrauten wegen Meineids, Erpressung und Falschbeurkundung beantragte die Anklage in ihrem Plädoyer außerdem eine Geldstrafe von 300.000 Mark gegen den Siebzigjährigen. Der ehemalige Anwalt hatte in dem seit über einem Jahr laufenden Prozeß alle Vorwürfe bis auf den Meineid bestritten. In einer Prozeßerklärung hatte Vogel sich selbst als „Anwalt der Menschen zwischen den Fronten“ bezeichnet.

Oberstaatsanwalt Bernhard Brocher nannte den in der Vergangenheit sowohl im Osten als auch im Westen geschätzten Vermittler einen „gewissen- und prinzipienlosen Zeitgenossen“, der in der DDR mit „Arroganz und Selbstherrlichkeit“ gehandelt habe.

Nach dem Plädoyer der Verteidigung, das am Mittwoch beginnt, wird die 6. Große Strafkammer ihr Urteil Anfang nächsten Jahres verkünden.

Für die Staatsanwaltschaft ist ein 1993 vor dem Berliner Kammergericht von Vogel geschworener Meineid die schwerste der ihm in diesem Prozeß zur Last gelegten Straftaten. Vogel hatte, wie er im Verfahren gestanden hatte, damals falsch ausgesagt, im Mai 1989 den Verkauf eines Grundstückes beurkundet zu haben. Tatsächlich war er zu diesem Zeitpunkt in Israel. Aufgrund dieser Aussage konnte dem Kläger in dem damaligen Verfahren die Immobilie nicht zurückgegeben werden. Ankläger Brocher bezeichnete Vogels Aussageverhalten als „geschicktes und differenziertes Lügen“.

Ferner sah es die Staatsanwaltschaft als erwiesen an, daß Vogel in vier Fällen ausreisewillige Mandanten erpreßt hat, ihre Grundstücke an Bekannte und in einem Fall an seine Frau abzugeben. Begünstigte seien ein früherer Angestellter in seiner Kanzlei sowie sein früherer Führungsoffizier beim Ministerium für Staatssicherheit gewesen. Vogel sei seit den 50er Jahren als Inoffizieller Mitarbeiter „Georg“ für die Stasi tätig gewesen. Eine Immobilie habe die Schwägerin seines früheren Hauptansprechpartners in Ausreiseangelegenheiten bei der Stasi erhalten. Mit diesem sei Vogel befreundet gewesen.

Darüber hinaus hatte die Anklage Vogel, der 215.000 DDR- Bürgern eine Familienzusammenführung im Westen sowie 34.000 politischen Häftlingen zur Ausreise verholfen haben soll, der Falschbeurkundung beschuldigt. Ursprünglich ging es in dem Verfahren um 20 Fälle vermuteter Erpressung durch Vogel. 15 Fälle davon hatte die Kammer, die auch den Haftbefehl gegen Vogel aufgehoben hatte, jedoch aus dem Verfahren herausgenommen. Hierüber soll in einem zweiten Prozeß 1996 verhandelt werden. wg