„Wahlen sind keine Alternative“

■ Ruslan Chasbulatow (51), von 1991 bis 1993 Parlamentspräsident, zog Tage vor der Wahl in Tschetschenien seine Kandidatur zurück

Der Tschetschene Chasbulatow versuchte nach dem Ausbruch des Krieges zwischen Moskau und der Kaukasusrepublik zu vermitteln.

taz: Herr Chasbulatow, warum haben Sie auf eine Kandidatur verzichtet?

Chasbulatow: Ich habe meine Kandidatur zurückgenommen, weil ich sah, daß dort einfach nicht die politischen, organisatorischen und psychologischen Bedingungen für eine normale Durchführung von Wahlen gegeben waren. Jetzt herrscht dort wieder der Kriegszustand, da ist es doch lächerlich, von Wahlen überhaupt zu reden.

Also alles eine Farce?

In Grosny wurde mitgeteilt, daß die Wahlen auch in anderen Orten stattgefunden hätten. Dabei fehlte den Menschen in diesen Gebieten jede Chance, abzustimmen. Meinen Informationen zufolge haben nicht mehr als zehn oder elf Prozent der Bevölkerung an dieser Wahl teilgenommen. Alle anderen Angaben sind Fälschungen.

Haben sich da nicht die ausländischen WahlbeobachterInnen feige verhalten, als sie noch vor der Wahl ihre Mission aufgaben?

Ich finde, daß sie sich vernünftig verhalten haben. Gerade die BeobachterInnen von der OECD haben ihre Abreise ja auch damit begründet, daß die Bedingungen für die Durchführung von Wahlen nicht gegeben seien.

Werden Sie die Resultate dieser Wahlen anfechten?

Ich habe von vornherein erklärt, daß ich die Resultate nicht anerkenne und vor allem Verhandlungen fordere. Ich halte die Wahlen deshalb für gefährlich, weil sie als Alternative zu Verhandlungen herhalten sollten. Die Regierung der Russischen Föderation hatte beschlossen, ihre Marionetten an Ort und Stelle durch ebendiese Wahlen zu legitimieren. Dadurch betreibt sie eine weitere Spaltung der tschetschenischen Gesellschaft und steuert auf eine Afghanisierung des Konfliktes zu.

Was schlagen Sie vor?

Ich fordere die unverzügliche Wiederaufnahme der russisch- tschetschenischen Friedensverhandlungen. Sonst besteht die Gefahr einer Eskalation des Konfliktes. Interview: Barbara Kerneck