Die „Heirat zweier Kirchenmäuse“

■ Haushaltspolitiker diskutieren die Fusion: Wie sieht der Bankrott eines Landes aus? Einsparungen sind möglich durch Verwaltungsreform bei Inneres, Bau, Justiz. Berlin muß jährlich 2,3 Milliarden Mark Defizit abbauen

Es ist die Zeit der Haushaltspolitiker. Und ihrer zynischen Machtphantasien. Landeszentralbankchef Klaus-Dieter Kühbacher hat sie: „Da müssen dann der Innen- und der Finanzminister nochmal mit dem Besen durch.“ Kühbacher meinte damit die berlin-brandenburgischen Amtsstuben nach der Fusion der beiden Länder. Nicht daß er einen hochdotierten Putzdienst einrichten wollte. Es geht um Personal. Kühbacher will Menschen hinauskehren: Der öffentlich Beschäftigte als Verfügungsmasse. Die Bündnisgrünen haben mehr Anstand und sagen: Einsparung von Personalmitteln.

Eigentlich wollten die Bündnisgrünen am Dienstag abend mit einer Podiumsdiskussion über die Fusion oder die „Heirat zweier Kirchenmäuse“ (Michaele Schreyer) aufklären – und sie wohl auch voranbringen. Aber die ExpertInnen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Bürokratie hinterließen vor allem Ratlosigkeit. Das gemeinsame Land? Alle sind dafür, aber keiner weiß, warum eigentlich. Was bringt die Fusion den Menschen, fragte ein Zuhörer. Das wußte schon gar niemand. Antworten gab es in Form zehn- bis elfstelliger Haushaltszahlen und als Apokalypse: „Ich glaube, daß Berlin ohne die Fusion dem Zusammenbruch nicht entgehen kann“, meinte Kühbacher.

Wie sieht der Zusammenbruch eines Landes aus? Packen Diepgen, Stahmer, und wie sie alle heißen, die Koffer? Lassen ein leeres Rathaus zurück, das der vielzitierte Sparkommissar entert? Ein Kettenhund Waigels, der die finsteren Augenbrauen hoch- und das Land runterzieht? Nichts da. Bislang sind Sparkommissare nur in kommunale Rathäuser eingezogen. Sparen können die Länder nämlich allein. Auch das hat die von den Bündnisgrünen geladene Runde der Zahlenhuber gezeigt. Das Land Berlin muß 16 Milliarden Mark an Ausgaben in den nächsten beiden Jahren zurückführen – rein rechnerisch . Tatsächlich wäre es gut, so Dieter Vesper vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, wenn das Land sein Defizit jährlich um rund 2,3 Milliarden abbaut.

Das ist nicht gerade einfach. Aber es geht. Und als Melkkühe drängen sich diesmal nicht etwa Kitas, Schulen und Hochschulen oder die Kultur auf. In diesen Bereichen hat das Land zwischen 1992 und 1994 rund 15.000 Stellen abgebaut – überwiegend im Osten der Stadt. Nein, die klassischen Ministerien sind an der Reihe: Inneres, Bau, Steuern, Justiz, Polizei – also jene, die bisher Stellenkürzungen geplant, organisiert und abgesichert haben. Die Heckelmänner und Nägel müssen auch gar nicht mit dem Besen durch. Aus der Verwaltung scheiden jedes Jahr 10.000 Leute durch Pension oder Jobwechsel aus. Berlin zählt rund 123.000 Beschäftigte in den Senatsverwaltungen. Dem Land stehen laut Fusionsvertrag aber nur rund 95.000 Ministerialbeamte zu. Die Differenz ist also mit natürlichem Personalwechsel zu einem großen Teil zu bewältigen. Der Rest geht über die Verwaltungsreform: Sie ist die Alternative zu Sozialabbau und Kulturkahlschlag.

Die Große Koalition plant das ein bißchen anders. Das Kalkül der CDU: Betreiben sie Sozialabbau, kommt die Fusion nicht, weil die Menschen ihr erbost bei der Volksabstimmung das Ja verweigern werden. Nehmen sie Kredite auf, scheiden sie die Länderehe vor der Hochzeit. Dann wird Berlin nämlich nicht heiratsfähig: maximal 2,7 Milliarden Defizit sind erlaubt; derzeit sind es 10 Milliarden. Der unbesorgte Umgang mit der Haushaltskrise deute daraufhin, unkten Dieter Vesper und Klaus-Dieter Kühbacher, daß sie ein willkommener Anlaß sei, die Fusion doch noch zu kippen. Christian Füller