■ Daumenkino: Dem Himmel so nah
Der Zweite Weltkrieg ist zu Ende, die amerikanischen Soldaten gehen an Land, ihre Frauen erwarten sie sehnsüchtig. Manch eine vergißt es auch, wie die Frau von Paul Sutton (Keanu Reeves). Wahre Liebe ist das nicht.
Aber bekanntlich heiratet man die nicht wenige Tage bevor man eingezogen wird, sondern sie begegnet einem schicksalhaft. Und da kotzt auch schon Victoria Aragon (Aitana Sanchez-Gijon) auf die Heldenuniform von Paul Sutton. Er ist als Schokoladenvertreter unterwegs, Victoria auf der Heimreise und verzweifelt, weil schwanger, ohne einen angetrauten Ehemann vorweisen zu können. Diesen Skandal wird ihre Familie, reiche und sehr katholische mexikanische Weinbauern im kalifornischen Napa Valley, kaum akzeptieren. Also bietet sich der hilfsbereite Paul Sutton als „Ehemann“ für einen Abend an. Besser einer, der angesichts der Familie gleich die Flucht ergreift, als gar kein legitimer Vater. Natürlich kommt es, wie es kommen muß. Die wahre Liebe siegt. In einem nicht allzu beeindruckenden Showdown. Denn während das vom Vater unabsichtlich entfachte Feuer sämtliche Weinberge vernichtet, ist zu hören, wie das Gas aufgedreht wird. Da knackt und birst kein Weinstock im prasselnden Feuer, sondern es zischt der Flammenwerfer. Überhaupt hat der Regisseur Alfonso Arau, der mit Bittersüße Schokolade einen unerwarteten Welterfolg landete, mit dem reichlich vorhandenen Geld in seinem ersten Hollywoodfilm eher Schwierigkeiten. Unfreiwillig komisch kommt der Titel der Originalfassung A Walk in the Clouds der filmischen Seite der Romanze ziemlich nahe: Die kalifornischen Weinberge ersaufen nachgerade in den Wolken des Kunstnebels. Wer Nebel hat, der soll an ihm nicht sparen. Auch wenn der Wein so ein saurer Tropfen wird. Das gleicht der Filter aus, der die Farben der Landschaft ins Zuckersüße verfälscht. Aber weil die Geschichte vom besorgten und deshalb bösen Vater (Giancarlo Giannini) und der großherzigen, südländisch-mexikanischen Restfamilie (Anthony Quinn als Großvater) nicht so viel hergibt, muß eben das Ambiente sprechen. Und das tut es weiß Gott. Der Weinstock singt das hohe Lied vom Verwurzeltsein der Familie im angestammten Grund und Boden. Großgrundbesitzer repräsentieren schon deshalb eine moralisch höherstehende Sorte Mensch.
Alfonso Arau, so wird reportiert, wollte das Leben einer Latino-Familie in den USA aus einem positiven Blickwinkel schildern. Da kann man den eingewanderten Landarbeitern nur raten, Landbesitzer zu werden; und wie der smarte Keanu Reeves den Coup nach traditioneller spanisch-habsburgischer Regel zu landen: Du glückliches Österreich heiratest. Bw
„Der Himmel so nah“, Regie: Alfonso Arau
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