„Eine schwule Ulknudel reicht“

Hella von Sinnen über den Quotenterror und die künstlerische Selbstbestimmung, über schwule TV-Stars, lesbische Liebe und die Ehe  ■ Von Christa Müller und Brigitte Siebrasse

taz: Frau von Sinnen, Ihr erstes Soloprogramm für die Bühne trägt den vielsagenden Titel „Ich bremse auch für Männer.“ Wollen Sie sich mit dem Schritt auf die Bühne vom Terror der TV-Unterhaltung befreien?

Hella von Sinnen: Ich habe das Programm mit Claus Vincon und meiner Freundin Cornelia Scheel aus dem Boden gestampft. Da arbeite ich mit Freunden und habe nicht 20 Klugscheißer um mich herum, die mir irgendwas von Quoten, Werbepartnern und Statistiken erzählen. Auf der Bühne kann ich hinter jedem Sketch stehen und jeder Satz, den ich sage, kommt von mir. Ich habe mein eigenes Timing, meine eigene Dramaturgie. In der Nachbearbeitung werden nicht die besten Pointen rausgeschnitten. Es ist das erste Mal, daß ich zwei Stunden auf der Bühne stehe. Dieses Solo ist mein Baby. Da sitze ich rotbackig auf der Bühne, bin glücklich und stolz.

Mit der Tournee kam also das Glück. Aber wie sah es vorher aus?

Als wir 1988 bei RTL mit „Alles Nichts Oder“ angefangen haben, konnten wir noch machen, was wir wollten. Erst nachdem der Sender expandierte, gab es immer mehr Leute, die mitreden wollten.

Ihre „Weiber von Sinnen“ wurden zu einer Kultsendung.

Die „Weiber von Sinnen“ waren innovativ. Die Sendung hatte zu Anfang eine höhere Einschaltquote als das „Schloß am Wörthersee“. Trotzdem kam von RTL Nölerei: „Na ja, Magazin. Alexander- Kluge-Niveau“. Die wollten mich in erster Linie als Komikerin.

Gut, haben wir gesagt, dann machen wir eine Comedy-Serie. Die Bücher wurden abgesegnet, wir haben fünf „Biester“ produziert, und dann hat der damalige Unterhaltungschef das Ding abgesägt. Von heute auf morgen. Sie haben mich zwar nicht rausgeschmissen. Aber sie haben sich auch nicht die Mühe gemacht, für mich ein neues Format zu finden, wie es so schön heißt. Damals hatten sie ja auch schon den Dirk Bach. Da haben sie wohl gedacht, eine schwule Ulknudel reicht.

Sie sind also zur reinen Fernsehware degradiert worden?

Für mich als Künstlerin und arges Sensibelchen war das zum Kotzen. Vor allem, wenn die Presse dann auch noch versucht, dich totzuschreiben. Egal, was ich tat, es hieß immer nur „Flop, Flop, Flop“. Sie wollten mich loswerden.

Einer Ihrer Kollegen meinte, weil Sie den „Typus der schleimigen devoten Fernsehmoderatorin“ durchbrochen haben.

Und damit hatte ich auch noch Erfolg. Der eigentliche Skandal ist, daß da eine fette, lesbische, laute Frau neben allen Schrowanges und Berghoffs tatsächlich diesen alten Bambi bekommen hat. Das ist die Ungeheuerlichkeit.

Trotzdem wurden Sie irgendwann endgültig vom Bildschirm verbannt.

Ich bin nach dem Abbruch der Comedy-Serie in ein richtiges Loch geplumpst. Mitten aus der Produktion das Ende, und du weißt auch noch, du kriegst die Kohle für die nächsten acht Folgen nicht mehr. Da saß ich dann erst mal zu Hause und hab' Däumchen gedreht. Irgendwann war RTL2 am Telefon. Wir haben dann „Wenn die Putzfrau zweimal klingelt“ produziert, aber ich war denen erstaunlicherweise nicht schrill genug. Nach zwölf Biestern war Schluß. Danach habe ich noch verschiedene Angebote bekommen, aber nur, um die Kohle auf dem Konto zu haben, mache ich noch lange nicht alles. Ich habe auch inhaltliche Ansprüche an meine Arbeit.

Welche denn?

Das sind nicht unbedingt Grimme-Preis-Ambitionen. Aber ich habe diverse Filmdrehbücher abgelehnt, weil mir diese heterosexuellen Schnarch-mich-an-Geschichten nicht gefallen. Zum Beispiel der Film „Ein Mann für jede Tonart“ von Hera Lind. Was ist das für eine Geschichte? Eine Frau zwischen zwei Männern. Natürlich spiele ich auch heterosexuelle Frauen, das ist überhaupt kein Thema. Ich bin Schauspielerin, das ist mein Beruf. Aber der Film müßte mich schon interessieren.

Hape Kerkeling sagte kürzlich, daß sein Schwulsein einer großen Fernsehkarriere im Weg steht.

Elton John hat eine Weltkarriere gemacht, und Alfred Biolek hat es auch nicht geschadet. Im Gegenteil. Ich persönlich habe keine Lust zu behaupten, ich hätte im Moment keine Pferdchen am Laufen, weil ich lesbisch bin. Kein Mensch in den Chefetagen würde es wagen zu sagen, wir engagieren die dicke Frau nicht, weil sie lesbisch ist.

Diskriminierung ist also out?

Ich werde natürlich den Teufel tun und sagen, wenn du schwul oder lesbisch bist, schadet es nicht deiner Karriere. Cornelia ist aus ihrem Job als Geschäftsführerin geflogen. Und es gibt schließlich viele Menschen, die sich deswegen von Brücken stürzen. Aber Hape hat seine eigene Art, mit dem Schwulsein umzugehen. Das ist wie mit der Angst vor Hunden. Wenn die deinen Angstschweiß riechen, beißen sie dir sofort in den Hintern.

Sie kämpfen für die schwul-lesbische Ehe. Ist Heiraten denn noch angesagt?

Ich habe als freier Mensch die Möglichkeit, mich für einen Menschen zu entscheiden. In dieser Gesellschaft ist vieles so schrecklich, daß ich nicht weiß, wie ich es ohne Liebe überstehen könnte. Ich bin mit Cornelia absolut symbiotisch. Wenn Sie wollen, symbiotisch-dependent. Daß die Hochzeit in ihrer heterosexuellen Form ein Joch für Frauen ist und für Männer unglaublich bequem, ist klar. Diese Strukturen will ich gar nicht imitieren. Ich will die gleichen Rechte für Schwule und für Lesben. Und die Diskussion, ob ich nun eine spießige und reaktionäre Butze bin, brauchen wir nicht zu führen. Zu allem Überfluß bin ich das nämlich.

Vor dem Bundesverfassungsgericht sind Sie mit Ihrem Heiratsbegehren erst einmal gescheitert.

Die Klage war so formuliert, daß das Bundesverfassungsgericht den Standesbeamten anhalten sollte, das Aufgebot zu bestellen. Das ging nicht. Das Gericht konnte nur sagen: Liebe Legislative, laßt euch mal was einfallen, denn in der Tat gibt es hier ein paar Ungerechtigkeiten. So steht es im Urteil. Vor ein paar Jahren schrieb mir eine ältere Dame in altdeutscher Schrift, sie beneide Cornelia und mich dafür, daß wir Hand in Hand über die Straße gehen. Sie ist mit ihrer Lebensgefährtin seit fünfzig Jahren zusammen und hat das noch nie getan. Im Urlaub muß sie sie als ihre Schwester ausgeben. Das ist ein Skandal, daß diese Demütigungen weiter und weiter laufen. Aber ich werde noch erleben, daß es anders wird, da bin ich sicher.

Sie und Cornelia Scheel wurden beim Henry-Maske-Axel-Schulz- Boxing gesichtet: in der Prominentenschar, die sich neuerdings daran ergötzt, wie sich ehemals unterprivilegierte Ost-Boxer blutig schlagen. Die Zeitschrift „Konkret“ hat Sie daraufhin in ihre Rubrik „Defilee der Arschgesichter“ eingereiht.

Ich hab' gedacht, das muß ich mir ansehen, schon aus professionellem Interesse. Aber es war einfach nur zum Kotzen. Von daher hab' ich es verdient, in die Arschgesichter-Reihe aufgenommen zu werden.