Multimedia? Monomedia!

Als das Fernsehen kam, ging es den Kinos schlecht. In der ersten Zeit jedenfalls, dann klärte sich das Mißverständnis auf. Es gab zwar immer mehr Programme, aber auch immer mehr Leute, die sich langweilten. Sie wollten wieder richtige Filme in einem richtigen Kino sehen. Seither geht es den Kinos wieder gut, neue werden gebaut, meistens ist auch eine nette Bar dabei. Offenbar wollen uns die Medienkonzerne dort möglichst schnell wieder rausholen. Es scheint ihnen weit besser zu gefallen, wenn wir zu Hause sitzen, mit noch mehr Fernsehen und einem angeblichen Rückkanal für unsere Wünsche. Multimedia und Video on demand sollen das große Geschäft sein, wer's glaubt, wird selig in Bertelsmanns Telekomischer Kirche und kauft schon mal einen Decoder.

Dabei leistet ein simples Modem viel mehr, und das schon heute, nicht erst in der großartigen Zukunft, von der die Konzerne ein bißchen zu laut reden. Wer sich im Wald fürchtet, pfeift bekanntlich. Der bloß angebliche Multimedia-Boom und das tatsächlich immer noch ungebrochen wachsende Interesse am Internet haben miteinander wenig

zu tun. Das Internet mag populär geworden sein durch das multimediale World Wide Web, im Kern ist es ein Monomedium für Texte, für Nachrichten und Pamphlete geblieben. Das ist vor allem deswegen ärgerlich für die Medienfabriken, weil sie nicht wissen, wie damit Geld zu verdienen ist. Millionen können in aller Welt denselben Film ansehen, ob zu Hause oder im wiederentdeckten Kinosaal. Nur im Internet ist plötzlich nicht mehr ihr Geld, sondern ihre Meinung gefragt. Sie können sich an den Computer setzen und ganz normale Leute irgendwo in der Welt anschreiben, Leute, die vielleicht etwas Schlaues über diesen einen Film wissen, oder über ganz andere Dinge, die ihnen im Kopf herumgehen. Dazu braucht niemand eine Multimediamaschine zu kaufen. Lediglich ein paar Englischkenntnisse sind nützlich. Wie immer in Fällen eines gut begründeten Revolutionsverdachts haben sich deutsche Kulturkritiker zu Wort gemeldet. Sie wollen uns vor der Verblödung am Bildschirm warnen. Wahrscheinlich schauen sie zu viel in die Glotze. Sie sollten sich vor den Computer setzen. Das Internet ist eine einzige Alphabetisierungsanstalt, das Schreiben von Briefen wie auch von öffentlichen Texten wird zur Volksleidenschaft. Das Kino hat das Fersehen glänzend überlebt. Die Schreibmaschine mit Anschluß an den Rest der Welt wird das Multimediageschäft ebenso glänzend überleben.