Das Portrait: Der Selbstironische
■ Jozef Oleksy
Beobachter bescheinigen ihm Humor, Selbstironie, Ruhe und einen kühlen Kopf. Den dürfte Polens Premier Jozef Oleksy jetzt brauchen, angesichts der schweren Spionagevorwürfe, die gegen ihn erhoben werden. Oleksy wurde am 22. Juni 1946 in Nowy Sacz in Galizien geboren. Er studierte Wirtschaftswissenschaften in Warschau. Schon während des Studiums engagierte er sich im damals kommunistisch dominierten Polnischen Studentenverband ZSP und war Gründer und Vorsitzender des Polnischen Rates junger Wissenschaftler. 1968 wurde er Mitglied der Kommunistischen Partei (PZPR).
Nach dem Studium begann Oleksys Karriere im Parteiapparat. 1977 bis 1981 war er Mitglied der ZK-Abteilung für ideologische Erziehungsarbeit. Von November 1981 bis Juli 1986 leitete Oleksy die zentrale Revisionskommission der Staatspartei und gehörte anschließend zu den Anwärtern auf höhere Führungsaufgaben. Im Januar 1987 wurde Oleksy Erster Parteisekretär in der Wojwodschaft in Biala Podlaska an der weißrussischen Grenze. Als die wiederzugelassene Gewerkschaft Solidarność 1989 mit Vertretern der Kommunistischen Partei die Prozeduren für den Übergang Polens zu demokratischen Institutionen erarbeitete, saß Oleksy Polens Premier Jozef OleksyFoto: rtr
mit am Runden Tisch. Kurz vor der Bildung der ersten nichtkommunistischen Regierung unter Tadeusz Mazowiecki war er für kurze Zeit Minister für die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften.
Bei den ersten freien Wahlen 1991 wurde Oleksy für die PZPR, die sich inzwischen in Sozialdemokratie der Republik Polen (SLD) umbenannt hatte, in das Parlament (Sejm) gewählt und fungierte bis 1993 als stellvertretender Fraktionsvorsitzender. Bei den Parlamentswahlen vom 19. September desselben Jahres wurde die SLD stärkste Partei. Nach der Wahl Waldemar Pawlaks zum Ministerpräsidenten übernahm Oleksy das Amt des Parlamentspräsidenten.
In der Folgezeit nahmen die Spannungen zwischen der von Pawlak geführten Linksregierung und Staatspräsident Lech Walesa immer weiter zu. Am 1. März dieses Jahres wurde Pawlak abgelöst und Oleksy zum neuen Ministerpräsidenten berufen. Dabei machte der Präsident keinen Hehl aus seiner Antipathie gegen den Wirtschaftswissenschaftler. Walesa ist abgewählt. Doch auch Oleksys Karriere könnte nun unerwartet schnell beendet sein. Barbara Oertel
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