■ Die Dosen-Lobbyisten stoßen in Brüssel auf offene Ohren
: Sackgasse statt Mehrweg

Seit vier Jahren baggern die Lobbyisten der Verpackungsindustrie in Brüssel — jetzt können sie einen ersten, großen Erfolg verbuchen. Im Umweltministerium traf ein Mahnschreiben der EU-Kommission ein, das die deutsche Verpackungsverordnung als Handelshemmnis brandmarkt. Zwei Monate hat die Bundesregierung jetzt Zeit, die ökologische Sinnhaftigkeit des Systems zu beweisen. Überzeugt sie die EU-Kommission nicht, droht ein Verfahren vorm Europäischen Gerichtshof.

Die deutsche Verpackungsverordnung ist beileibe keine ökologisch vorbildliche Maßgabe. Immerhin enthält sie aber auch eine Mindestmehrweg-Quote für Getränkeverpackungen. Sinkt diese unter 72 Prozent, wird automatisch auf jede Einwegdose oder -flasche ein Pfand von 50 Pfennig erhoben. Vor allem gegen diese Bestimmung laufen die Dosen-Manager seit Monaten Sturm. Nicht ohne Grund: Der Mehrweganteil ist permanent gesunken. Jetzt ist die finanzielle Schmerzgrenze fast erreicht.

Die Industriebosse fahren bei ihrer Kampagne mehrgleisig. Zum einen kündigten sie eine Gebühr von 10 Pfennig pro Dose an. Mit den derart eingenommenen 400 Millionen wollten sie nicht näher definierte Mehrwegsysteme aufbauen. Das gestern vom Kartellamt gestoppte Projekt darf getrost als Anbiederung an Angela Merkel verstanden werden, die sich ja schon bei anderen Gelegenheiten durch „freiwillige Selbstverpflichtungen“ von Zwangsmaßnahmen abhalten ließ. Auf der anderen Seite versuchen die Dosenbosse, die ganze Verpackungsordnung via Brüssel zu kippen. Dafür gibt man sich dann gerne auch mal als Ökomann aus und stößt in Brüssel auf offene Ohren. Vor allem Großbritannien, Spanien und Frankreich meckern über die grünen Punkte aus Deutschland: Sie würden die eigenen Recyclingmärkte überschwemmen und die Preise kaputtmachen.

Klar ist jedoch: Regionale Mehrwegsysteme sind ökologisch sinnvoll. Klar ist aber auch, daß sie dem Credo des unbeschränkten Handels entgegenstehen. Das EU-Recht jedoch läßt in solchen Situationen durchaus eine Höherbewertung der Umwelt zu. Das hat der Europäische Gerichtshof vor einigen Jahren beim Streit um ein dosenfreies Dänemark bewiesen. Aber beim jetzigen Streit deutet vieles darauf hin, daß Dänemark das einzige Land bleibt, daß sich über eine dosenhistorische Tat des Europäischen Gerichtshofes freuen darf. Annette Jensen