■ US-Haushaltstheater: Mieses Script, miese Schauspieler
: Vive la France!

Zum Trost der geplagten Franzosen sei festgestellt: Ihr Kampf gegen die Austeritätspolitik der Regierung trägt immerhin alle Kennzeichen eines echten Dramas, in dem das Publikum die Bühne besetzt hat. Der „Haushaltskrieg“ in den USA hingegen entwickelt sich immer mehr zu einer Schmierenkomödie, in der eine drittklassige Schauspielertruppe einem höchst unbeständigen Regisseur ein mieses Script aufzwingen will. Das Publikum schaut kaum noch hin.

Zum zweitenmal innerhalb eines Monats ist der amerikanische Bundesstaat – wir erinnern uns, es handelt sich um die einzig übriggebliebene Supermacht – zahlungsunfähig. Soll heißen: Es gibt immer noch keinen Gesamthaushalt. Die republikanische Mehrheit im US-Kongreß verweigerte dem Präsidenten erneut ein Überbrückungsbudget, weil der sich nicht auf den fiskalischen Voodoo der neuen Rechten im Parlament einließ: Steuersenkungen plus Sozialabbau sollen innerhalb von sieben Jahren einen ausgeglichenen Haushaltsabbau herbeiführen. Alles weitere regelt die Wiedereinführung des Schulgebets.

Dem nun widersetzt sich Clinton mit lauteren und unlauteren Mitteln innerhalb des von Republikanern gesteckten Handlungsspielraums – ohne an der Voodoo-Formel des ausgeglichenen Haushalts bis zum Jahre 2002 etwas ändern zu wollen. So manch konservativer US-Kommentator wirft dem Präsidenten trotzdem vor, mit seinem Vetostift jene Rolle auszufüllen, die in Frankreich die Gewerkschaften spielen – die des nostalgischen Sozialstaat-Apostels, der immer noch glaubt, der Kapitalismus müsse menschlich sein. Der Vergleich ist einerseits absurd und legt andererseits eine bittere Realität bloß: Links von Clinton – und da wäre nach europäischen Maßstäben Platz für ein ganzes Sonnensystem – herrscht in den USA derzeit Totentanz.

Dabei springt einem das Thema für eine progressive Politik förmlich ins Gesicht: der fortschreitende Rückgang der Reallöhne, von dem inzwischen fast 80 Prozent der amerikanischen Arbeitnehmerschaft betroffen sind. Doch der einzige, der diese Krise im Präsidentschaftswahlkampf bislang thematisiert, ist der erzreaktionäre Populist Pat Buchanan mit seiner altbewährten Mischung aus Bibeltreue, Isolationismus und Xenophobie.

Die Gewerkschaften? Mon Dieu, die repräsentieren in den USA nicht einmal mehr zwölf Prozent der Arbeitnehmer. Vive la France, möchte man da aus amerikanischer Sicht nur sagen. Andrea Böhm, Washington