Die Mineralölkonzerne wehren sich mit allen Tricks. Sie sind gegen gesetzliche Vorgaben zur Reduzierung von Schadstoffen in Benzin und Diesel. Die Kosten und der drohende Verlust von Arbeitsplätzen werden als Argumente gegen den Umweltschutz angeführt. Dabei wird heute schon schadstoffarmer Treibstoff mit nur geringen Mehrkosten produziert Aus Stuttgart Philipp Maußhardt

Wie Öl im Feuer

Ein Riß geht durch die Republik. Völlig neue Koalitionen werden geschmiedet: Die Auto- gegen die Ölfraktion. Die Ministerpräsidenten aus dem Mercedesland, dem BMWagenreich und aus Volkswagien haben sich zusammengetan gegen die Öl-Könige aus Hamburg und Nordrhein-Westfalen. Seit Oktober liegt im Bundesrat eine Gesetzesinitiative vor, die zum Ziel hat, die krebserregenden Stoffe Benzol und Dieselruß aus der Auspuffluft zu bannen. Die Mineralölwirtschaft soll gezwungen werden, saubereres Benzin und Diesel herzustellen. Doch Esso, Aral & Co. KG wehren sich heftig. Nun liegt der Gesetzentwurf bis März nächsten Jahres vorläufig auf Öl.

Man hatte über sie gelacht, über die Herren Erwin Teufel (CDU) aus Baden-Württemberg, Gerhard Schröder (SPD) aus Niedersachsen und Edmund Stoiber (CSU) aus Bayern, als im Herbst dieses Jahres der Berg rief und das Trio sich im flachen Hannover zum „Autogipfel“ traf. Wichtigtuer unter sich, die auf einer gemeinsamen Pressekonferenz betonten, wie bedeutsam der Standort Deutschland für die Automobilindustrie ist.

Da war aber doch noch mehr: Die drei so unterschiedlichen Ministerpräsidenten einigten sich darauf, den Ölmultis in die Raffinade zu spucken. Die Autoindustrie habe mit der Entwicklung der Katalysatorentechnik das ihre getan, die Luft nicht weiter zu verpesten, sagten sie. Jetzt seien die Ölproduzenten am Zug. Die Gesetzesinitiative aus Stuttgart fordert die sofortige Reduzierung von Benzol in allen Benzinsorten und von Schwefel im Diesel.

Ein Vorschlag, der es in sich hat: Technisch ohne größere Probleme sind beide Schadstoffe aus dem Sprit herauszuholen. Für Finnland und Schweden gelten bereits niederste Schwefelwerte im Diesel, und selbst Italien hat sich beim Benzol mit 1,4 Volumenprozent eine Marke gesetzt, die in Deutschland von keiner Benzinsorte erreicht wird – außer vom „Super Plus“, der sauberen Vorzeigemarke, die aber von kaum jemandem getankt wird. Ihr Marktanteil liegt gerade mal bei 5 Prozent. Irgendwann soll alles besser werden. Irgendwo sitzt seit einigen Jahren eine europäische Expertengruppe beieinander und diskutiert über Benzol- und Schwefelgrenzwerte, die dann in ganz Europa gelten sollen. 1994, so raunte es, sollten die Ergebnisse vorliegen. Es blieb still. 1995, so hörte man, sollten Nägel mit Köpfen gemacht werden. Nichts tat sich. Und der Mann, der es eigentlich wissen mußte, der Euro-Kommissar Martin Bangemann, sagte leise am Rande: Vor dem Jahr 2000 werde es mit dem Gesetz wohl nichts mehr werden.

Zudem darf jetzt schon vermutet werden, daß die neuen Euro- Werte für Benzol weit über dem technisch Machbaren liegen und zumindest für die deutschen Lungen keine Vorteile bringen. Die zwei Volumenprozent Benzolgehalt, die heute im Schnitt mit jedem Liter Sprit getankt werden, sollen dann als Maximalwert für alle festgeschrieben werden. Die Bundesratsinitiative der drei Autoländer will aber nur die Hälfte davon haben. Warum, so fragen sich Teufel, Schröder und Stoiber, sollen wir im Sommer Fahrverbote wegen Ozonsmog erlassen, wenn es einfacher geht?

Dadurch hoffen Teufel & Co., der leidigen Diskussion um Fahrverbote und Geschwindigkeitsbegrenzungen zu entgehen, die schließlich nur dem Verkauf von schnellen Autos schadet. „Dem umweltfreundlichen Auto gehört die Zukunft“, sagt der CDU-Politiker dazu. Die Wende soll nun ein Steuermodell bringen, das den Autofahrern den Umstieg auf schadstoffärmeren Sprit leicht macht: Sechs Pfennig Unterschied zwischen benzolhaltigem und benzolarmem Benzin sieht der Gesetzentwurf vor, ebenso beim Diesel. Tankstellenpächter würden in diesem Fall keine neuen Zapfsäulen aufstellen, sondern nur noch den billigeren, von jedem Fahrzeug verträglichen Kraftstoff anbieten, vermuten die Gesetzschreiber.

Mit Wut in der Stimme führen die Verteter der Ölindustrie an: Die Benzol-Reduzierung von zwei auf ein Volumenprozent sei aufwendig und koste Geld. Um die deutschen Raffinerien umzurüsten, gingen mehrere Jahre ins Land, behauptet Esso-Sprecher Karl-Heinz Schult-Bornemann – Milliarden für nichts. Denn zur Jahrtausendwende rechnet er mit einer Katalysatorendichte von nahezu 95 Prozent aller Fahrzeuge, „und das bringt viel mehr als die Benzolreduzierung“.

Besonders verärgert sind die großen Mineralölkonzerne darüber, daß sie ein „faules Ei“ im eigenen Nest liegen haben. Ausgerechnet eine der größten deutschen Raffinerien, die Beta-Raffinerie in Wilhelmshaven, produziert seit einiger Zeit schon benzolarmes Benzin und saubereren Dieselkraftstoff. 350.000 Tonnen des schwefelarmen Diesels exportierte Beta in diesem Jahr nach Schweden. Der Beta-Manager Jürgen Fischer weist die Kostenargumente zurück. Bauliche Veränderungen seien nicht notwendig gewesen und auch die Mehrkosten für schadstoffarmes Benzin hielten sich in Grenzen.

Ein strengeres Schadstoffgesetz würde vor allem Aral und Esso hart treffen, die weitaus mehr Benzin in Deutschland verkaufen, als hier raffiniert wird. Ein Großteil muß aus dem Ausland importiert werden. Die Umstellung der Herstellungsverfahren wäre also nicht nur hierzulande notwendig. Dieser Umstand macht die Drohung des Chefs des deutschen Mineralölwirtschaftsverbandes, Jobst Siemer, nicht gerade glaubwürdiger, bei Verwirklichung der Gesetzesinitiative müßten deutsche Raffinerien schließen. Siemer, der gleichzeitig Vorstandsvorsitzender der Esso AG ist, malt derzeit, wo er kann, den Teufel an die Wand: „Die Aufgabe von Standorten wäre zwangsläufig die Folge“, sagt er, und das klingelt besonders laut in Hamburger Ohren. Darum hat auch Hamburg im Umweltausschuß des Bundesrates die baden- württembergische Gesetzesinitiative erst einmal auf das nächste Frühjahr verschieben lassen.

Wie massiv die Öl-Lobby gegen den Gesetzesvorschlag kämpft, liest sich in einem Brief an Hessens Ministerpräsidenten Hans Eichel (SPD), der noch als unentschieden in der Frage zukünftiger Grenzwerte gilt, so: Siemer schreibt darin von „einer Vielzahl ungünstiger Einflüsse“, die den „Raffineriestandort Deutschland“ gefährden. Gemeint sind damit vor allem Umweltschutzauflagen, die Geld kosten. Lobbyist Siemer schlägt darum vor, „unsere Haltung“ persönlich zu erläutern. Ähnliche Briefe bekamen auch die anderen Regierungschefs der Länder. Beta- „Manager Fischer dagegen schüttet Öl ins Feuer: „Wir unterstützen die Bundesratsinitiative.“