Dosen überrollen Deutschland

■ EU-Kommission und Dosenindustrie wollen das Mehrwegsystem kippen. Aluminium-Lobbyist spricht für den Bundesverband der Deutschen Industrie. Bayerische Brauereien wehren sich, Freistaat an Dosenflut beteiligt

Berlin/München/Augsburg (taz) – Es ist so etwas wie ein Krieg, der da ausgebrochen ist. Die Großoffensive der Dosenbefürworter läuft. Die EU-Kommission leitete jetzt auf Drängen der Alu- und Verpackungskonzerne ein Verfahren gegen die Bundesrepublik ein, weil die vorgeschriebenen Mehrwegquoten für Getränkeverpackungen das EU-Recht verletzen würden. Sollte die Europäische Union den Verpackungsfetischisten folgen, wäre das ganze Mehrwegsystem am Ende.

Und die Kampagne geht weiter: Da werden scheinbar witzige Anzeigen geschaltet mit depperten Bayern, die eine Bierdose – geschmacksneutral – quer im Mund stecken haben. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) prescht vor und befindet, die Dose könne weder für die Verschmutzung der Landschaft noch für das Brauereiensterben in Bayern verantwortlich gemacht werden. Und dann spielt die Industrie auch noch Theater mit einem sogenannten Dosengroschen. Jede Dose sollte im Laden einen Groschen teurer werden. Doch dieses Konzept hat das Kartellamt jetzt als rechtlich nicht tragbar aus dem Verkehr gezogen.

Hinter den Kulissen wirken immer die selben Akteure. Beispielsweise der Vorsitzende des Umweltausschusses beim BDI, Rainer Grohe. Grohe ist hauptberuflich Vorstand bei der Viag, einem der größten Dosenhersteller in Europa. An selbigem Konzern hält der Freistaat Bayern noch immer 25,1 Prozent. Und der Viag wiederum gehören 51,38 Prozent am Dosengroßproduzenten Schmalbach-Lubeca, bei dem auch die Deutsche Bank mit zehn Prozent beteiligt ist. „Mir stehen die Haare zu Berge, wenn ich lese, was der Vorsitzende des Umweltausschusses des BDI, Herr Rainer Grohe, da schreibt“, kommentiert der Chef der Augsburger Riegele Brauerei, Sebastian Priller, die BDI-Initiative.

Priller steht mit seiner Kritik nicht allein. Die bayerischen Brauer überlegen derzeit ernsthaft, Ende nächsten Jahres aus dem Deutschen Brauerbund auszutreten, weil dort nicht vehement genug gegen die Dosenflut vorgegangen wird. Politische Rückendeckung war der Viag bisher immer gewiß.

Nicht nur, daß sie quasi ein Staatskonzern ist; gerade erst ist der ehemalige bayerische Finanzminister Georg von Waldenfels (CSU) bei der Viag Vorstand für Wirtschaft und Politik geworden.

Beim Dosenhersteller Schmalbach-Lubeca spürt man seit geraumer Zeit den Gegenwind sehr deutlich: Schon Anfang November erklärte Pressesprecher Walter Sprenger, daß die nach wie vor anhaltende Diskussion „gegen die Getränkedose, die aufgrund ihrer funktionalen und ökologischen Vorteile eine hohe Verbraucherakzeptanz erfährt“, erheblich Sorge bereite.

kw/ten Seiten 6 und 10