Tierquälerei vor dem Festtagsessen

■ Tierschützer protestieren gegen Transport und Verkauf von lebenden Fischen. Tiere leiden unter dem „Tod auf Raten“, schlechte Fleischqualität trotz Frische

Alle Jahre wieder zur Weihnachtszeit und zum Jahreswechsel drängen sich in Fischgeschäften lebende Weihnachts- und Silvesterkarpfen. In Schauaquarien warten die ansonsten recht munteren Schwimmer wie die Sardinen in der Büchse „gestapelt“ und nach Luft schnappend darauf, daß ihr letztes Stündlein kommen möge. Wer da noch glaubt, mit dem „garantiert frischen“ Fisch auch besonders leckeres Fleisch zu kaufen, der irrt gewaltig.

Abgehetzte und gequälte Fische sind kein guter Feiertagsschmaus, sagen die Tierschützer. Sie appellieren gemeinsam mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und dem Präsidenten der Berliner Tierärztekammer, Dr. Klaus Lüdcke, deshalb auch an die Verantwortlichen, die Vermarktung lebender Fische endlich zu unterbinden. 50 Kilogramm Karpfen in knapp 100 Litern Wasser – wie in einem Geschäft in Neukölln – nennen sie schlicht Tierquälerei.

„Sowohl Tierschutzgesetz als auch Rechtsprechung erkennen an, daß Fische als Wirbeltiere schmerz- und leidensfähig sind“, sagt Christiane Bernhardt vom Berliner BUND. Wenn Behördenvertreter besorgte Tierfreunde damit beruhigen wollen, daß es sich nur um eine kurzfristig beengte Haltung handele, läßt sie das nicht gelten.

Schließlich ist das Verkaufsbecken nur das Ende eines langen Leidensweges: Schon ab September werden die Tiere durch Schläuche aus den Teichen in sogenannte Hälterbecken befördert. Von hier gelangen sie wiederum durch Schläuche, über Förderbänder und Sortier-Rinnen in enge und dunkle, mit Sauerstoff belüftete Tanks auf Sattelschlepper. Dort müssen sich dann bis zu 500 Kilogramm Karpfen mit weniger als zwei Kubikmetern Wasser begnügen.

Bei Großhändlern oder in Fischgeschäften werden die Tiere dann im „150-Kilo-Pack“ in Spülbottiche von einem Kubikmeter Größe „abgelassen“, von wo aus sie schließlich in die Verkaufsaquarien verfrachtet werden. Kein lebender Fisch – egal wie er gefangen oder gehältert wird – gelangt auch nach den Erfahrungen des Leiters des Fischereiamtes Berlin, Dr. Ulrich Grosch, ohne Verletzungen in Menschenhand.

Die meisten der in Berlin angebotenen Edelfische kommen aus dem Teichgut Peitz in der Mark Brandenburg. Aber nur etwa ein Viertel der rund 500 Tonnen Karpfen, die in diesem Jahr zur Schlachtreife gezüchtet wurden, erhält vor Ort (in Vetschau) den „Gnadentod“. Zum Teil haben die Tiere aber auch einen wesentlich weiteren Weg aus Polen, Tschechien, Ungarn, Italien oder Dänemark hinter sich. Dabei liegt es für Lüdcke auf der Hand, daß der Transport für die mit einem äußerst empfindlichen Gleichgewichtsorgan ausgestatteten Fische einer Tortur gleichkommt.

Aus seiner Sicht gibt es keinen vernünftigen Grund für diesen „Tod auf Raten“. Die Fische könnten ebenso gleich nach dem Fang getötet und auf Eis nach Berlin transportiert werden. Das wäre nicht nur ein Beitrag zum Tier-, sondern auch zum Verbraucherschutz. Denn unter dem Dauerstreß der Fische leidet am Ende auch die Qualität des Fleisches, ist sich der Tierärztekammerchef sicher. Iris Hansch, ADN