Durchs Dröhnland
: Unter der Decke die 60er, den Kopf im Hier und Jetzt

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Vorsichtig muß man sein mit großen Worten, wenn es um britischen Pop geht, denn mit denen werfen sie auf der Insel im Moment noch heftiger rum als sonst schon. Aber Cornershop haben die euphorischen Kritiken wirklich verdient. Als Kinder indischer Einwanderer sind sie immer wieder konfrontiert mit dem alltäglichen Rassismus. Kein Grund, sich aufzuregen, denkt da unsereiner, der sich dank Name und Hautfarbe in der Anonymität verstecken kann, wenn er denn will. Wir werden wohl nie so recht verstehen können, was in jemandem vorgeht, an den ständig die Frage nach Heimat herangetragen wird, auch wenn er selbst sie sich gar nicht mehr stellt. Cornershop bieten dazu keine Verständnishilfe, aber schaffen aus dem Leben zwischen zwei Kulturen den momentan spannendsten Pop im Britland. Und führen schon durch ihre Abstammung den widerlichen „Buy British“-CD-Aufkleber ad absurdum. So verbinden sich Sitar und Tabla mit englischem Pop, als wäre es das Logischste von der Welt. Und das sollte es ja schließlich eigentlich auch sein.

Heute, 21 Uhr, Huxley's Junior, Hasenheide 108, Neukölln

Eigentlich wollten sie Urlaub machen, behaupten sie. Aber weil alle so gedrängt haben, bequemen sich DEKA Dance nun doch wieder auf die Bühne. Olaf Schubert, der zuletzt als Solo-Artist mit Hang zum Kabarettistischen durch die Lande zog, verkleidet sich dafür als seine Schwester Gabi und setzt sich ans Schlagzeug, um von dort die harten Bläsersätze besser im Griff zu haben. Weil Jazzrock nun mal nur mit einer magenverderbenden Portion Humor zu ertragen ist, sind diese überzeugten Sachsen immer noch unvermeidlich.

Heute, 22 Uhr, Franz, Schönhauser Allee 36-39, Prenzlauer Berg

Immer noch beste Adresse für Sixties-orientierten Pop ist das Berliner Twang!-Label. Der Nachwuchs muß inzwischen in Hildesheim aufgetan werden, wobei Mind Kiosk sich doch ein ganzes Stück von den psychedelischen Vorgaben entfernen. Die Orgel setzt das Quintett nur dezent ein, und nach Gitarren-Jingel-Jängel sucht man meist vergebens. Nicht daß hier gerade der Hardrock neu erfunden wird, aber das eine oder andere blitzende Gitarrenriff reckt sein wallendes Haupthaar, ohne daß es gleich geklaut wirkt. Oder doch die Kinks? So oder so – Mind Kiosk haben zwar die Sechziger unterm Bettdeckchen, aber das Köpfchen ragt ganz aufgeweckt ins Hier und Jetzt.

Mit The Pop Tarts. So., 24.12., 21 Uhr, Bierkeller Siegmundshof, S-Bhf. Tiergarten; Mit Liquid Visions, Mo., 25.12., 21 Uhr, Tommy-Weissbecker-Haus, Wilhelmstraße 9, Kreuzberg

Wer sich an Heiligabend am liebsten ganz weit weg wünscht, ist vielleicht mit dem Jamaican Christmas Festival gut bedient. Die lokalen Reggae-Heroen Livin' Spirits, das Toasting Wunderkind Skarramucci und das Concrete Jungle Soundsystem sorgen für den nötigen Off-Beat. Winsome dagegen hat sich zwar ihre Credits im Reggae ersungen, zuletzt aber einen angenehm unterarrangierten Soul entdeckt, dessen instrumentale Glätte durch ihre Stimme aufgefangen wird.

So., 24.12., 22 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176, Prenzlauer Berg

Auch Indie-Labels haben längst den Kapitalismus gefressen und nutzen die erfolgversprechenden Marktstrategien. So findet sich auf dem „Release-Info“ zur neuen Platte der Jacobites eine Liste mit „Verkaufsargumenten“. Das hübscheste: „Bestens eingeführte, kultisch verehrte Indie-Legende mit treuem Fanpublikum“. Also, ihr treuen Verehrer, ihr seid fest eingeplant, man hat euch gescannt und hochgezählt und rausgefunden, daß es sich lohnt, Platten für euch zu machen. Und ihr hattet doch tatsächlich gedacht, daß euer Kult sich nicht solch profaner Mittel bedienen würde. Oder glaubt nur die Firma, daß ihr so doof seid? Aber habt ihr nicht die Platte gekauft? Natürlich nur, weil die Swell Maps so wichtig waren. Oder weil ihr Nikki Suddens Folk-Rock und seine bunten Halstücher schon immer so schön fandet? Oder weil Sudden seit acht Jahren mal wieder mit Dave Kusworth was machte? Und so 'ne richtige Männerfreundschaft halt einfach tuffig ist? Habt ihr, habt ihr nicht? Auch egal. Dem „Fanpublikum“ sei gesagt, daß alter Wein auch in alten Schläuchen so schmeckt wie immer. Was wollt ihr mehr?

Mo., 25.12., 21 Uhr, Huxley's Junior

Man stelle sich vor, Screaming Jay Hawkins wäre auf seine alten Tage auf die Idee verfallen, ein bißchen Hardrock zu spielen. Weiterhin preßt er die Worte durch kaum geöffnete Zähne, und ein jugendlicher Gitarrero versorgt ihn mit gemeingefährlichen, auf den Punkt gespielten Riffs. Er selbst hat es nicht getan, aber Finger können das. Und dann wieder was ganz anderes, schwer zu kategorisieren auf jeden Fall, auch wenn das Trio aus Zürich im Vergleich zu seinen Anfangstagen wesentlich stringenter geworden ist. Inzwischen wird ihre Musik von einer metallenen Gitarre dominiert. Kein Wunder, daß da ihre Ausflüge in den Siebziger- Art-Rock ganz gut reinpassen.

Di., 26.12., 21.30 Uhr, Schoko- Laden Mitte, Ackerstr. 169-170

Benannt haben sich Halmakenreuther nach dem Bettenverkäufer aus dem legendären Loriot-Sketch, was in Kombination mit Gitarren, Schlagzeug und Baß halt Fun-Punk ergibt. Erstes Aufsehen erregte die bekennende Party-Combo mit einer Cover- Version des Take-That-Hits „Back for Good“. Und ihre eigenen Stücke neben dieser verwegenen Version zeigen vor allem, daß die milchgesichtigen Teeniebetörer wohl bessere Songschreiber sind als unsere vier aus dem Prenzlauer Berg.

Mit Michele Baresi, Copasetic und DJs. Di., 26.12., 21 Uhr, Tränenpalast, Reichstagufer 17

Hinter Steak Knife verbergen sich eigentlich 2 Bad, die wiederum aus der deutschen Hardcore-Legende Spermbirds hervorgegangen waren. Steak Knife sollten ursprünglich als Ankry Simons die legendären Angry Samoans verehren, haben sich inzwischen aber verselbständigt, wenn auch deutlich in die Richtung ihrer Vorbilder. Das macht sie ungleich sonniger als 2 Bad selbst – wenn man in diesem Genre überhaupt von sonnig sprechen kann.

Mi., 27.12., 21.30 Uhr, Schoko- Laden Thomas Winkler