Helden: Verkehrserzieher Von Claudia Kohlhase

Verkehrserzieher haben ein Herz wie ein Luchs und bremsen auch für Igel, obwohl sie gerade 50 fahren dürfen und deshalb ja auch müßten. Aber der Igel geht denn doch vor, und wie sieht auch ein zermatschter Igel aus, speziell wenn kurze Zeit später Mütter mit Kindern kommen und hochgradig zermatschte Igel umfahren müssen, um dauerhaften Schaden von sich selbst abzuwenden – grauenvoll. Der Verkehrserzieher nimmt also in Kauf, daß er deswegen hinten angefahren wird, obwohl er doch vorne gut sein wollte.

Aber sowieso ist er ja gut, Gott sei Dank, daß er das immer wieder weiß, das beruhigt ihn sofort und anhaltend. Nicht auszudenken, wenn er schlecht wäre, was wäre dann? Das wäre er: ein Verkehrskrokodil, dem vom Verkehrskasper eins über die Mütze gezogen werden würde, vielleicht noch im Verbund mit dem Verkehrsgendarm und dem Verkehrsrächer. Eine Vorstellung, die dem Verkehrserzieher nicht gefällt, aber die auch nicht ansteht. Wäre er nicht so verkehrstüchtig, wüßte der Verkehrserzieher manchmal kaum, wohin mit solchen Vorstellungen. Manchmal weiß er kaum so, wohin, da ja überall das Falsche lauert und auf ihn wartet. Vor allem vor Ampeln und getarnten Abgründen, aber sein tapferes Auto ist ja immer mit ihm.

Es ist gar nicht seltsam, daß der Verkehrserzieher in Wäldern bzw. auf Waldstraßen, wo ihn keiner sieht, einen Tick schneller fährt, weil der Verkehrserzieher ja überall mit aufkommenden Unholden rechnet, vor denen er sich zu wappnen hat, auch vor Unholden ohne Auto übrigens. Da beschleicht ihn einfach Angst, mehr ist dahinter nicht zu suchen, und man soll so etwas auch nicht überbewerten. Allerdings sind Unholde mit Auto doch besser, da dem Verkehrserzieher seine automobile Tüchtigkeit erst dann richtig bewußt wird, wenn von hinten aufgefahren wird. Dann lacht der Verkehrskasper im Luchsherzen des Verkehrserziehers und pritscht schon mal los, einfach so. Pritschen heißt im Falle des Verkehrserziehers, daß er zum Beispiel einfach mal anhält, eben bloß so, weil man schließlich überall stehenbleiben können muß.

Also steht er, hupps, und ist ein hübsches Hindernis, sehr hübsch. So hübsch, daß andere auffahren müssen. Vor allem in herrlich geschwungenen Auffahrten, wo man das Heck des Verkehrserziehers erst kurz vor dem Aufprall erkennt, aber dann peng. Sehr schnell ist in dem Fall sein hübsches Stehen ins Häßliche gewendet, aber den Schaden bezahlt der Verkehrserzieher gerne, da der Schaden ja erst die Verhältnisse wieder zurechtrückt und dementsprechend die Verhältnisse gezeigt hat, wie sie gewesen waren und dauernd sind.

Komischerweise kommt der Verkehrserzieher manchmal lebend zu Hause an, was ihn fast ein bißchen wurmt, aber was soll er machen? Das heißt, er macht ja genug, aber er fragt sich doch oft, wie er das wieder angestellt hat. Denn logisch betrachtet kann und darf es nicht an ihm liegen, da er ja besonders gefährdet ist und längst tot sein müßte, jedenfalls nach seinen Berechnungen, die er jede Woche aktualisiert. Es muß ein Wunder sein, sagt er sich dann, oder es liegt doch an ihm. Trotzdem ändert sich niemals etwas an den Verhältnissen, höchstens an den Straßen und den Igeln, weswegen er ja auch immer wieder neu bremsen muß.