■ Kleine Baumkunde
: Osiris bis Kleopatra

Kairo (taz) – Hat der gute alte germanische Weihnachtsbaum in Wirklichkeit seine Wurzeln im alten Ägypten? Einige ägyptische Archäologen glauben, daß die Tradition des christlichen Grüns ihren Ursprung in dem pharaonischen Fest des Lebensbaumes hat, also aus einer Zeit stammt, in der die Vorfahren der Germanen wahrscheinlich eher noch auf als unter den Bäumen saßen.

Die Pharaonen im alten Reich sollen aus Anlaß des Geburts- und des Königstages des von ihnen verehrten Gottes Horus einen Pinienbaum aufgestellt haben, den sie mit nachgemachten Horus-Köpfen und nachgebildeten Händen und Augen schmückten, die sie vor dem bösen magischen Blick schützen sollten. Zur kulinarischen Untermalung des Festes diente – wie konnte es anders sein? – Braten von Wildgänsen, frisch erjagt in den Papyrusfeldern des Niltals.

Das Fest ging auf den Mythos von Osiris, Isis und Horus zurück: Osiris, der Gott des Lebens und Symbol der Fruchtbarkeit, wurde von seinem Bruder und Widersacher, dem vom Teufel besessenen Seth, umgebracht und in den Nil geworfen. Die Wasser trugen die Leiche bis an den Mittelmeerhafen Byblos im heutigen Libanon. An der Stelle, an der Osiris angeschwemmt wurde, reifte, so die Überlieferung, ein Baum heran.

Isis, die verzweifelte Witwe des Lebensgottes, bekam schließlich von einem Storch einen heißen Tip über den Verbleib ihres ermordeten Gatten und machte sich auf den Weg nach Byblos auf der Suche nach dem Geist ihres Mannes. Als sie schließlich den Baum fand, nahm sie das spirituelle Gewächs mit zurück nach Ägpyten und pflanzte es in ihren Garten. Mit Hilfe des Baumes und des Geistes ihres Gatten wurde sie schließich schwanger und gebar den Gott Horus.

Die spätere ägyptische Pharaonin Kleopatra soll schließlich ihren römischen Liebhabern das Fest des Lebensbaumes oder Isisbaumes, wie er in manchen Quellen genannt wird, schmackhaft gemacht haben. Und von dort gelangte der Brauch auch am Ende zu den Germanen, die inzwischen von den Bäumen heruntergekommen waren.

Karim El-Gawhary