■ Querspalte
: Gotts- verdammte Kälte

Bibber? Schüttel? Kirchenasyl? Nix da! Wer im neuen Jahr vor der gottsverdammten Kälte in Berlins ruinierteste Kirche flüchten will, hat Pech. Die Kaiser- Wilhelm-Gedächtnis-Kirche bleibt bis zum Frühlingseinbruch geschlossen. Schuld daran ist das Knausern der Lämmer. 20.000 zahlende Zuschauer hat das organisierte Berliner Protestantentum anno domini 1995 verloren. Durchhalteparolen („Der Kirche auch in schwieriger Zeit die Treue halten“) beeindrucken die Mächte der Finsternis schon lange nicht mehr. Der Teufel steckt im Klingelbeutel: 210.000 Mark fehlen der Kirchenruine – zuwenig zum Abriß, zuviel zum Weiterheizen. Der Gottesdienst am Heiligabend wird fürderhin der letzte sein.

Nun ist es unter Gleubischen (wie es neuerdings so verniedlichend heißt) ja kein Geheimnis, daß der Herrgott einen vor allem an Hundstagen im Stich läßt. Doch was ist mit seinem Stellvertreter auf Deutschland? Immerhin wurde die Gedächtnis-Kirche vor gut hundert Jahren zu Ehren von Wilhelm I. als Bollwerk gegen die „glaubenslose“ SPD erbaut. Die Berliner wissen solche Gesten zu würdigen. Im Kalten Krieg (sic!) zwangen sie den Senat, ihr Lieblingsgotteshaus vor dem Abriß zu retten.

Und nun? Roman Herzog, des Bürgers Gläubiger, ist ja wohl des Kaisers unstrittiger Rechtsnachfolger. Die Kirchenglocken läuten jedenfalls Sturm. Im Westen der einstigen Frontstadt wird man kein Verständnis dafür haben, daß den Zonis und ihrem leeren Palast der Republik mit Hunderttausenden eingeheizt wird, während im Bunker gegen Gregor Lafontaine und die SPDS die Lichter ausgehen. Will Herzog nicht nur ein katholischer, sondern auch ein deutscher Kaiser bleiben, ein Vorkämpfer der Ökumene gegen die Ökommune, täte er gut daran, sich auf CS-Grundwerte zu besinnen und die Spendierhosen zu satteln. Damit auch in der neoromanischen Ruine die Kirchgänger vom Bahnhof Zoo wieder „Danke!“ singen dürfen: Laßt mich ein ihr Kinder / Ist so kalt der Winter / Öffnet mir die Türen / Laßt mich nicht erfrieren. Uwe Rada