■ Der vertuschte Unfall im Atomreaktor Monju
: Investitionsfaktor Öffentlichkeit

Als geschlossenes System wurde Japan der Welt bekannt. Die „Japan AG“, berüchtigt für eine nach außen hermetisch abgeriegelte Wirtschaftsweise, hat es jedoch in Wirklichkeit immer nur in einem Bereich gegeben: dem Atomsektor. Hier arbeiteten Regierung, Bürokratie und Großkonzerne tatsächlich so eng zusammen, daß von demokratischer Kontrolle und Marktwirtschaft, den Postulaten des Westens, nie die Rede sein konnte. Der Atomstaat Japan erschien noch perfekter als selbst der französische.

Es bedurfte deshalb schon fast einer Katastrophe, um die Methoden der japanischen Nukleokratie zu entlarven. Der Schnelle Brüter Monju in der westjapanischen Provinz Fukui, Japans teuerster Atomreaktor, lieferte Mitte dieses Monats dieses Fallbeispiel: Nicht nur daß das Ausmaß des Unfalls – ein Brand, der zwei bis drei Tonnen gefährliches Natrium freisetzte – in den Sicherheitsannalen der Branche nicht vorgesehen war. Der zweite Skandal von Monju begann erst nach dem Unfall, als alle Verantwortlichen, von den Betreibern bis zu den Regierenden in Tokio, das Drama tagelang vertuschten und den Bürgern vor Ort alle wichtigen Informationen vorenthielten.

Plötzlich zeigte der Atomstaat sein totalitäres Gesicht: Videoaufnahmen wurden zensiert, technische Berichte gefälscht, selbst die Regierung sprach die Unwahrheit. Andernfalls wäre das Undenkbare denkbar geworden: der GAU inmitten einer völlig desinformierten Öffentlichkeit. Genau dieses Szenario aber haben die meisten JapanerInnen heute verstanden. Denn die Taktik der Behörden nach dem Unfall im Schnellen Brüter ging nicht auf.

Die Japaner sind kein Volk, dem man Gefahr und Ausmaß einer Atomkatastrophe lange zu erklären braucht. Um so größer ist deshalb heute das Entsetzen in der Öffentlichkeit. Gerade nach Hiroshima und Nagasaki war einst der abgekapselte Atomstaat Bedingung für den Aufbau der zivilen Atomindustrie – in ihm war von Gefahren so lange keine Rede, wie die Katastrophe nicht eintrat. Es könnte sein, daß inzwischen sogar die japanische Atomindustrie bereut, die eigene Sache so lange unter Ausschluß des Investitionsfaktors Öffentlichkeit vorangetrieben zu haben. Georg Blume, Tokio