Von Fakten ungetrübt

■ Knast für Hasch verhindert die Trennung der Märkte

Der Handel mit Hanf (Cannabis sativa) bleibt als Verbrechen mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht, wenn die Menge des rauschwirksamen Tetrahydrocannabinol (THC) 7,5 Gramm übersteigt. Mit dieser Grenzwertfestlegung, die etwa 100 Gramm gutem oder 250 Gramm minderwertigem Haschisch entspricht, hat der Bundesgerichtshof eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Schleswig-Holstein zurückgewiesen, das 3 Kilo Haschisch als „geringe Menge“ gewertet und von einer Freiheitsstrafe abgesehen hatte. Die BGH-Richter blasen ins alte Prohibitions-Horn:

– „mögliche nachhaltige Störung der Persönlichkeitsentwicklung bei Jugendlichen“

– „etwa fünf Prozent“ der Kiffer greifen später zu härteren Drogen.

Was „mögliche nachhaltige Störungen“ angeht, heißt es im Editorial von The Lancet, dem britischen Medizin- Fachblatt von Weltrang, am 11. November 1995: „Das Rauchen von Cannabis, auch auf Dauer, ist nicht schädlich für die Gesundheit.“

Was den „Straßenverkehr“ betrifft, hat der Großversuch einer holländischen Uni 1994 ergeben, daß selbst die völlig zugedröhnte Versuchsgruppe noch weitaus sicherer fuhr als die Alkoholfahrer mit 0,8 Promille.

Das BGH-Urteil ist von derlei Fakten ungetrübt. Statt die nach dem Spruch des Bundesverfassungsgerichts vom Mai 1994 aufgerissene rechtliche Grauzone – Konsum erlaubt, Handel verboten – zu klären, wird diese zementiert. Eine Trennung der Märkte von weichen und harten Drogen wird verhindert.

Wenn Kanzler Kohl sich im Januar zum kleinen „Drogengipfel“ mit seinen holländischen und französischen Kollegen trifft, kann er mit dem neuen Urteil nun ein bißchen Drogenkriegs-Munition nachladen. Den Franzosen, die Holland als Drogen-Einfallstor der EU bezichtigen und mit der Kündigung der Grenzabkommen drohen, kann ein wenig Unterstützung nur guttun. Denn de facto ist der Hauptlieferant für den europäischen Cannabis-Markt nach wie vor das französisch kontrollierte Marokko. Frankreich hält seine Hand über König Hassan – und zeigt statt dessen auf die bösen Dealer in Amsterdam. Unterdessen werden in Paris Jugendliche verhaftet, die ein großes Hanfblatt auf dem T-Shirt tragen. Begründung: Aufforderung zu Straftaten. Diese Art Fundamentalismus ist in Deutschland zwar passé – doch der alte Prohibitionsgeist, dies zeigt das neue Urteil, weht immer noch in allen Gassen. Mathias Bröckers