Es war einmal... ein israelisches Bethlehem

■ Rechtzeitig vor Weihnachten wurde die Kleinstadt an die Palästinenser übergeben

Tel Aviv (taz) – Unter Geläut, Trommeln und dem Jubel Tausender Palästinenser ist gestern abend die Stadt Bethlehem an die palästinensische Autonomiebehörde übergeben worden. Gegen 16 Uhr fuhren die ersten 80 Palästinenserpolizisten vor dem Gebäude der israelischen Militärverwaltung vor. Die offizielle Übergabe war ursprünglich für Mitternacht geplant, doch bereits um 17.15 Uhr verließen die letzten israelischen Soldaten die Stadt. Schon im Morgengrauen hatten israelische Soldaten die blauweiße Flagge mit dem Davidstern an der Polizeistation vor der Geburtskirche eingeholt. Ein israelischer Offizier war zuversichtlich: „Arafat hat über den Rundfunk an seine Leute appelliert, uns in Würde ziehen zu lassen. Es wird keine Unruhe geben, es werden keine israelischen Flaggen brennen.“ „Es ist ein Tag der Freiheit“, meinte auch der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Michel Sabbah, Palästinenser und höchster Repräsentant der römisch-katholischen Kirche in Bethlehem. „Es gibt wirklich Grund zur Freude.“

Nach 28 Jahren wird die Stadt im Westjordanland das erste Weihnachten unter palästinensischer Verwaltung erleben. Mit der Übergabe haben sich die israelischen Besatzungstruppen entsprechend dem Abkommen über die Ausweitung der israelisch-palästinensischen Autonomie vom 28. September zurückgezogen. Am Wochenende sollen Jassir Arafat und mehrere Minister des Palästinensischen Autonomierats mit einem großen Fest empfangen werden. Völlig verschwunden sind die israelischen Besatzer aus der Kleinstadt mit 45.000 Einwohnern jedoch noch nicht. In Übereinkunft mit den palästinensischen Behörden wird eine gemeinsame israelisch-palästinensische Kommandozentrale mit massiven Sicherheitsmaßnahmen die Weihnachtsfeiertage in Bethlehem begleiten. Für Pilger und Besucher soll die Stadt am Weihnachtstag geöffnet sein. Im Rathaus werden bis zu 7.000 Menschen erwartet – das sind mehr als doppelt so viele wie in den vergangenen Jahren. Amos Wollin