Katzen würden hier nicht arbeiten

■ Der Tierfutterfabrikant Effem verweigert seinen MitarbeiterInnen feste Verträge und parkt sie zwischendurch beim Arbeitsamt, um Geld zu sparen. Niemand findet was dabei, denn Effem bezahlt 50 Prozent der Verdener Gewerbesteuer.

Vielleicht würden Katzen wirklich Whiskas kaufen. Aber fünf Beschäftigte des Whiskas-Produzenten Effem wollen sich nicht langer mit der Katze im Sack begnügen. Fünf Jahre haben sie im Stammwerk Verden beim Marktführer in Heimtierfertignahrung am Band gestanden – als sogenannte Aushilfskräfte, die sich von einer Befristung zur nächsten hangelten. Jetzt haben sie auf Festanstellung geklagt, und das Arbeitsgericht in Verden hat ihnen recht gegeben. Ein Urteil, das weitreichende Folgen haben kann, denn die fünf sind nur die Spitze eines Eisbergs.

Bei der Effem arbeiten Dutzende in Produktion und Verwaltung als flexible Manövriermasse – und nicht nur da. Seit die fünf Kläger 1990 bei der Effem anfingen, mußten sie ihre Arbeit auf Geheiß der Firma 27 bis 34 mal unterbrechen. Ihr Arbeitseinsatz wurde jeweils halbjährlich mit dem Schichtleiter vorgeplant. Sie waren also einerseits fest eingeplant, wurden andererseits aber auch „flexibel“ zum Arbeitsamt geschickt, wenn zum Beispiel das Band abgestellt wurde, weil sich die Pedigree- oder Shebadosen nicht schnell genug absetzen ließen.

Der Chef des Verdener Arbeitsamts Klaus Herzberg fand nichts dabei. Ob befristete Verträge zulässig seien oder nicht, habe nicht er zu entscheiden, sondern das Gericht, erklärte er. Eine heimliche Subventionierung des Unternehmens könne er in dem ständigen Pendelverkehr zwischen Effem und Arbeitsamt nicht sehen. Auch die SachbearbeiterInnen beim Arbeitsamt stellten keine Fragen, wenn die Effem-Aushilfkräfte sich, zum Teil nur für wenige Tage, arbeitslos meldeten.

Im Gegenteil, berichtet Jürgen Eschner, einer der Kläger: „Beim Betriebsurlaub oder wenn die Produktion stillstand, saßen wir zum Teil mit 20 Leuten auf dem Flur des Arbeitsamts. Die haben dann nur gerufen: Wer ist von Effem? Und dann wurden wir ganz schnell abgefertigt.“

Der Anwalt der fünf Kläger, Michael Latendorf, nennt diese Praxis einen „sozialpolitischen Skandal“. Während ein möglicher Mißbrauch von Arbeitsamtsgelder durch Arbeitslose sehr genau kontrolliert werde, könne sich hier ein Unternehmen auf großzügige Unterstützung seines flexiblen Arbeitskräfteeinsatzes durch das Arbeitsamt verlassen.

Die Effem ist mit 300 Beschäftigten in der Verwaltung und 600 in der Produktion einer der größten Arbeitgeber der Region. Die Firma zahlt 50 Prozent (15 Millionen Mark) der Gewerbesteuer der Stadt Verden. Weder das neue Rathaus noch die relativ geringe Pro-Kopf- Verschuldung wären ohne den Tierfutterkonzern möglich. Die Tochterfirma des amerikanischen Mars-Konzerns zahlt Spitzenlöhne. Zur „Effem-Familie“ zu gehören, gilt als Privileg, das mit absoluter Loyalität bezahlt werden muß.

Auch die permanenten Aushilfen dachten lange Zeit nicht daran, gegen die Firma vorzugehen. Sie bekamen zwar weniger Geld als die StammarbeiterInnen, aber das war immer noch mehr als woanders. Außerdem hielten sie ihre Jobs für relativ sicher. Doch seit circa einem Jahr sinkt die Loyalität der Belegschaft – in enger Korrelation mit der Umsatzentwicklung. Der Export ging bereits um fünf Prozent zurück. Im Inland gerät der Absatz durch Billigfuttermarken der Kaufhausketten unter Druck. Da fallen die Prämien nicht mehr so üppig aus. Vor allem die Verwaltung soll weiter „verschlankt“ werden. Jetzt geht es auch beim mittleren Management rund, und für die „Aushilfen“ werden die Unterbrechungszeiträume größer.

Die fünf Kläger haben die Zeichen der Zeit rechtzeitig erkannt. Als sie nach fünf Jahren mit immer neuen Befristungen immer noch keine Aussicht auf Festanstellung hatten, gingen sie zum Anwalt. Als die Klage bei der Effem einging, mußten alle fünf ihre Sachen packen. Effem-Anwalt und Personalleiter versuchten vor Gericht nachzuweisen, daß für die Befristungen der vom Gesetzgeber geforderte „sachliche Grund“ bestanden habe. Sie konnten den Arbeitsrichter aber offensichtlich nicht überzeugen. Das Gericht bezog sich allerdings nur auf die letzte Befristung von Anfang Januar bis Ende März beziehungsweise Anfang April. Es folgte damit einer Grundsatzentscheidung des Bundesarbeitsgerichtes, nach dem nur die letzte Befristung Gegenstand einer Befristungskontrolle sein darf. Die fünf Kläger müssen jetzt rückwirkend ab Januar 1995 unbefristet eingestellt werden.

Eine von der Effem als Vergleich angebotene Abfindungszahlung von 24.000 Mark pro Person hatten sie zuvor abgelehnt. Sie wollen versuchen, die Lohndifferenz zwischen Stammarbeitskräften und Aushilfen, nach eigenen Angaben etwa 40.000 Mark pro Jahr, nachgezahlt zu bekommen. Ob die Effem das Urteil akzeptiert oder in die nächste Instanz geht, soll erst entschieden werden, wenn die Urteilsbegründung vorliegt.

Annemarie Struß-von Poellnitz