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SanssouciRundumschlag

■ Einkaufen, Folge 12: Prinzipien oder: Für fischhaltige Vitrinen wechselt man gern die Straßenseite

Beim Einkaufen bin ich Pfau und nicht Fisch. Mit geschlagenem Rad, einer Kreditkarte und einem Haufen Prinzipien ziehe ich los. Letztere hält niemand aus. Einmal habe ich meine Schwester überedet, lieber kein Perrier aus Frankreich, sondern Rhönsprudel zu kaufen – die Transportwege müssen mitbedacht werden –, kurz danach sollte sie thailändisches Fischwasser besorgen, wegen der Unterdrückung der Dritten Welt, und weil es gut ist zum Würzen.

Seither gehen wir getrennt in die Geschäfte. Gern aber zeigen wir uns, was wir gefunden haben. Sie findet mehr als ich, weil ich mich nicht entscheiden kann. Kaum im Laden angekommen, überfällt mich Unentschlossenheit wie sonst nur in den größten Lebenskrisen. Unmöglich allerdings, wegen jeder nichtgekauften Feder eine Therapie zu machen. In meiner Verzweiflung gehe ich ins Schuhgeschäft; es ist der einzige Ort, an dem ich erfolgreich bin: „Sie wünschen?“ werde ich gefragt. „Eine besser gehende Welt.“

Als Pfau bin ich Einzelgängerin. Kaleidoskope und Farben sind, wonach ich suche. Wenn die Unentschlossenheit am größten ist, kaufe ich Grün. Es steht mir nicht, das macht das Umtauschen leichter, aber immerhin verhungere ich dabei nicht. Überhaupt macht mein vielfarbiger Imperativ das Leben leichter, wenn auch nicht unbedingt den Speiseplan. An trüben Tagen im November kaufe ich Orangefarbenes: Kürbis, Karotten und Mandarinen gehören dazu. Rot – wie Kirschen, Granatäpfel und Tomaten – erwerbe ich bei frisch entbrannter Liebe. In Zeiten größter Melancholie allerdings wähle ich Blau. Dann ernähre ich mich von Gletschereis und Götterspeise.

Scheinwelten, Schaufenster und Aquarien liebe ich der gewahrten Distanz wegen. Für Vitrinen, in denen Fischfarben und Vogelwelten dekoriert sind, wechsle ich die Straßenseite. Auch Werbung wird mir zur Sehenswürdigkeit. Klar, worauf das hinausläuft: auf Kataloge. Sie sind mir Science-fiction, Bilderbuch und Fibel. „Was ist Anthrazit?“ fragte meine Freundin neulich. Ich habe ihr „Quelle“, „Neckermann“ und „Schwab“ vorbeigebracht. Schließlich liebt sie – im Gegensatz zu mir – den Wein und die Herbstfarben des Südens. Die findet sie dort in jedem Kleid: „Mokka, Sand, Camel, Zypresse und Bordeaux.“ Dann mache ich Sammelbestellungen für uns, um meine Geselligkeit zu beweisen. Meine Vorlieben sind ausschließlich visueller Natur. Ich gehe, ich gestehe es, sowohl ins KaDeWe als auch zu Drospa um die Ecke. Der Drogeriemarkt ist gut für Klamotten und Geschenke, weil es kaum Auswahl gibt. Diesen Herbst habe ich verzweifelt versucht, dort die Sommerdekoration zu kaufen. Schwebten über den Regalen doch Fische in den schönsten Farben. Ich habe keinen bekommen. Eingemottet liegen sie im Keller bis zur nächsten Saison. Waltraud Schwab

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