■ Wildes Tierleben: Leiser Vorstoß in die Zivilisation
In deutschen Landen kreucht und fleucht so einiges, was man auf den ersten Blick auf unseren flurbereinigten Äckern und Waldplantagen nicht erwartet. Neben den seltenen, aber einheimischen Bibern, Kranichen und Seeadlern wandern in letzter Zeit verstärkt auch Großtiere nach Westeuropa. Neben dem Wegfall der Grenzanlagen zwischen Ost und West ist zunehmend auch der Krieg in Exjugoslawien ein Fluchtgrund für die Tiere, meint der Direktor des Wiener Universitätsinstituts für Wildbiologie und Jagdwirtschaft, Harmut Gossow.
„Bären, Wölfe, Luchse oder Elche wandern in Österreich, der Schweiz, Italien, Skandinavien oder Deutschland ein“, so Gossow. „Wir müssen damit rechnen, daß diese Großtierarten auch immer mehr in zivilisierte Gebiete vordringen.“ Nach seinen Angaben laufen bereits Vorbereitungen zu einem „Bären-Management- Plan“, um nach Mitteleuropa verirrte Bären mit einer „schnellen Eingreiftruppe“ zu fangen, umzusiedeln oder zu töten. Das Auftauchen von Wolf und Bär würde von den Menschen erfreulicherweise akzeptiert, der Luchs jedoch nicht.
Auch in der Berliner Umgebung ist einiges im Busch. So sollen in der Schorfheide in einem Großtierreservat Wisente und Exmoorponys angesiedelt werden, allerdings hat man sich erst einmal gegen die Elche entschieden. Sehr selten und sehr heimlich wechseln Wölfe aus Polen und Tschechien über die deutsche Grenze. Und in ganz Deutschland gibt es über 100.000 Waschbären, die im brandenburgischen Buckow bereits „massive Schäden“ in Gärten und Geflügelzuchten anrichten.
Auch die Biber stoßen besonders bei Bauern auf immer weniger Gegenliebe. Nach der fast völligen Ausrottung des Nagetiers wurde es ab 1966 gezielt wieder angesiedelt. In ganz Deutschland gibt es heute etwa 3.000 Biber, die auf der roten Liste der gefährdeten Arten stehen. Allein die Hälfte der Biber baut in bayerischen Flüssen und Seen ihre Burgen, bedient sich aber auch auf den angrenzenden Feldern, so daß die Bauern bereits von einer „rattenähnlichen Plage“ sprechen.
Aus ganz anderen Gründen geht es den Nagern im Spreewald an den Kragen: Dort werden schon seit Jahren Sumpfbiber gezüchtet, die zu DDR-Zeiten wegen ihres Pelzes begehrt waren. Heute liefern die Züchter das Fleisch der Biber an Spezialitätenrestaurants in Berlin, Dresden und Leipzig. dpa/taz
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