Bescherung ist Männersache

Der gescheiterte Versuch eines potentiellen Weihnachtsengels, gegen die strenge Männerhierarchie unter dem Weihnachtsbaum aufzumucken  ■ Von Alexandra Hartig

Was ist zu tun, wenn man als Studentin von den Eltern nicht gesponsert wird, pleite ist und Weihnachten nichts zu tun hat? Man besorgt sich ein Weihnachtsmannkostüm, geht zu den „Heinzelmännchen“ und heuert dort an. Das gibt dir Geld, den Beschenkten Freude und den auftraggebenden Eltern das Gefühl, sich etwas Besonderes ausgedacht zu haben.

Was passiert aber, wenn du als Frau mal aus deiner ansozialisierten Geschlechterrolle tanzt und bei den „Heinzels“ aufmuckst, daß dir das „Zwangs-Engel-sein-Müssen“ stinkt? Wer hat schon Lust, im „Zwangsduo“ mit dem „Chef“ am heiligsten Feiertag durch die Stadt zu latschen? Ich erscheine also bei den Heinzelmännchen und verlange Gehör und den Job, bei dem die Bezahlung stimmt und die Flügel nicht in der U-Bahn-Tür eingeklemmt werden.

Das Prinzip der Gleichberechtigung und Gleichbehandlung von Frauen und Männern, sonst ein Prinzip der studentischen Jobvermittler, gilt allerdings zu Weihnachten wenig. Im September hatte ich mich beim Chef der Heinzelmännchen, Herrn Hammann, beschwert. Ich erhielt die Zusicherung, daß bei den „Weihnachtsmannbestellungen“ nachgefragt werde, ob die Familien auch Frauen akzeptieren würden. Als nun die Weihnachtssaison losgehen sollte, fand ich mich vor dem Büro des Oberweihnachtmannes ein. Frohen Mutes, meine Anmeldung vollziehen zu können und mir in Zukunft keine Gedanken mehr um die Finanzierung künftiger Rechnungen machen zu müssen. Doch nach dem, was ich mir dann von dem erlauchten Herren anhören mußte, sah ich abwechselnd rot und schwarz für meine Karriere als Weihnachtsfrau.

Ein sehr unweihnachtlicher Mann mit Fastglatze und einem großen, goldenen Buch unter dem Arm schaut auf mich herab und fragt mit großen Fragezeichen in den Augen, was ich denn vor dem „Weihnachtsmannbüro“ wolle. „Ich habe mich entschlossen, Weihnachtsmann zu werden.“ Die Reaktion darauf ist ein ungläubiger Blick und die Antwort: „Das geht nicht.“ Das ginge nur für Männer. Es müßten erst Erhebungen und Befragungen nach dem Bedarf an weiblichen Weihnachtsmännern bei den Kunden durchgeführt werden.

Zur Erstellung der individuellen Einsatzrouten bedürfe es eines speziellen Computerprogrammes. Das für weibliche Weihnachtsmänner benötigte, noch speziellere Computerprogramm würde eine halbe Million kosten, und das könnten sich die Heinzelmännchen natürlich nicht leisten. „Außerdem muß man da marktorientiert rangehen. Ein Auto, das niemand will, kann man ja auch nicht verkaufen.“

Ich bin kein Auto und widerspreche aufs Heftigste. Meine im Freundeskreis anerkannte Baßstimme und mein Improvisationstalent reichen nicht aus. Nein, noch nicht einmal, daß ich als Pädagogikstudentin doch geradezu prädestiniert bin für den Job, ist kein Argument gegen die Tatsache, daß ich mit Eierstöcken und zwei X-Chromosomen geboren wurde.

Empört diskutiere ich mit dem Weihnachtsmanager: Es kann doch wohl nicht sein, daß eine universitäre Arbeitsvermittlung nicht dazu in der Lage ist, mit ihren AuftraggeberInnen darüber zu debattieren, wie übelst borniert es ist, die Weihnachtsshow am Heiligabend nur mit Männern zu bestücken. Antwort: „Wir leben nun mal in einer Männerwelt.“ Meine vorweihnachtliche Stimmung sinkt auf den Nullpunkt, meine Wut steigt.

Ein angehender Neuweihnachtsmann springt mir mit kollegialer Hilfe bei: Er wirft in den Raum, daß er den gütigen, alten Mann mit dem weißen Bart und dem Geschenkesack doch auch bloß spielen würde. Eine Frau unter dem roten Mantel würden die Kinder aber sofort bemerken, heißt es von den Weihnachtsverwaltern. „Von einer Frau im roten Dreß, die ihre Stimme verstellt, läßt sich doch kein Kind für blöd verkaufen.“

Ich frage, ob Schwarze denn hier arbeiten dürften? Er erklärt, der Weihnachtsmann sei international und nicht in der Hautfarbe festgelegt. Entweder nähmen die Leute einen schwarzen oder gar keinen Weihnachtsmann. Löblich, löblich: Das Studentenwerk läßt sich keine Diskriminierung seiner Angestellten gefallen. Jedenfalls nicht bei den Männern.