■ Bonn apart
: Stromsparen mit Rudi

Typisch SPD. Da legt sie ein Ei und redet nicht drüber. Gut zwei Wochen ist es her, da beschloß die SPD-Fraktion die „ökologische Erneuerung“ in Form einer Stromsparsteuer. Denn Strom wird 1996 billiger, der Kohlepfennig fällt ja weg. Deshalb sollen die Verbraucher 2 Pfennig mehr pro Kilowattstunde zahlen, einen halben die Industrie, damit niemand energieverschwenderisch wird. Außerdem sollen die Steuersätze auf Benzin und Diesel um 10 Pfennig im ersten Jahr steigen, dann alle zwei Jahre um 5.

Ferner ist geplant: Subventionen für Ökoinvestitionen und sehr viel mehr Solarenergie. Ein schöner Beitrag zum Naturschutzjahr 95 wäre das gewesen, aber schüchtern haben sich die Sozis mit ihren Plänen nicht an die Öffentlichkeit getraut. Stattdessen sind nur die Grünen einsam Öko-Amok gelaufen, haben fleißig Entwürfe für ein Energiesteuer- und sogar ein Naturschutzgesetz vorgelegt. Auch wenn sie wissen: Mangels Mehrheit wird nix draus. Mit den Sozis vereint, könnte das anders werden, aber zaghaft, wie er ist, wagt sich Fraktionschef Scharping allenfalls auf Tagungen nach vorn und leider nicht im Bundestag. So verborgen wirbt er ab und zu für eine ganz besondere Stromsparaktion, die auch den Grünen imponieren muß: Würden alle stromfressenden Stand-by-Schaltungen im deutschen High-Tech- Haushalt abgeschafft, so schwärmt der Pfälzer gern, ließe sich pro Jahr die Leistung eines kompletten Atomkraftwerks einsparen!

AKWs abschaffen durch Verzicht auf „Stand by“! Ein genialer Vorschlag – bloß: Warum macht die SPD-Fraktion kein Gesetz daraus? a) mangels Selbstvertrauen und b) aus Furcht vorm luxusverwöhnten Mittelstand. Doch wenn schon die Öko-Courage der neuen „linken Volkspartei“ nicht reicht, wer rettet dann die Ehre des europäischen Naturschutzjahres? Natürlich der deutsche Naturschutzbund! Der Minimalkonsens heißt „grüne Weihnacht“, und der Nabu präsentiert dafür ganz praktische Ideen: auf Lametta verzichten, denn das enthält bleihaltiges Stanniol oder Hart-PVC. Keine Misteln kaufen! Denn durch das steigende Angebot auf Weihnachtsmärkten ist die Mistel im Bestand gefährdet. Geschenke nicht mit Schmuckpapier umhüllen, lieber mit Packpapier und mit Keksen verzieren. Und Zuckerguß als Kleber, das reiche durchaus! Auch auf Bleigießen sollte unbedingt verzichtet werden. Rotes Wachs sage die Zukunft viel besser voraus, denn Rot sei stets ideal in Sachen Liebe.

Nach dem Fest wird's der Natur dann wieder an den Kragen gehen, denn das Naturschutzjahr geht vorbei. Dringend sollte es per Eilantrag verlängert werden. Damit es im zweiten Anlauf besser genutzt wird – und Scharping aus der Reserve kommt. Holger Kulick