„Das Hindrücken bringt gar nichts“

■ Wie macht es die professionelle Geschenkberaterin? Dorothea Bartosch über ihre Erfahrungen mit unentschlossenen Kunden. Sie verkauft seit 30 Jahren Schmuck

taz: Da steh' ich bei Ihnen im Laden, Frau Bartosch und will da so irgenwas für meine Oma ...

Dorothea Bartosch: Zuerst frage ich Sie, ob Sie etwas in unserer Auslage gesehen haben ...

Hab' ich nicht.

Trägt die Oma denn häufig Schmuck?

Hab' nie drauf geachtet.

Da es sich um eine ältere Dame handelt, lege ich Ihnen eine Kette vor, die sehr häufig getragen werden kann. Oder ein Armband, das für eine ältere Dame gut zu handhaben ist.

Zuallererst wollen Sie doch wissen, wieviel ich ausgeben will.

Das ist unfachmännisch und dumm. Eine Zumutung für den Kunden. Ich will ja auch nicht, daß ein Fremder mein Portemonnaie kontrolliert. Die Ausgabewilligkeit erfahre ich im Gespräch sowieso.

Schließen Sie von meinem Äußeren auf mein Bankkonto?

Wäre ebenfalls dumm. Niemand weiß, wer ihm gegenübersteht und was er sich leisten kann. Ich habe oft erlebt, daß unelegante und wenig gepflegte Kunden viel Geld hinlegen.

Fragen Sie mich, wie alt meine Oma ist?

Das ist unhöflich. Wenn Sie eine jugendliche Dreißigerin sind, wird Ihre Oma nicht gerade 90 sein. Ich versuche, das einzuschätzen. Ich erkundige mich nur nach Äußerlichkeiten: Was sie für ein Typ ist, was sie trägt, ob sie eine moderne Richtung bevorzugt.

Wenn ich meine Oma nicht leiden kann – merken Sie das?

Ja!

Aha. Wie?

Berufserfahrung und Intuition. Das vermitteln Sie mir nonverbal.

Oder über den Preis, den ich bereit bin zu zahlen.

Das ist völlig unerheblich. Oft werden Pfichtgeschenke sehr viel höher dotiert als liebevolle. Bei liebevollen Geschenken läßt der Kunde sich Zeit und ist sehr wählerisch. Bei den anderen heißt's: Hauptsache, ich hab' was!

Für meine Oma hab' ich aber noch immer nichts.

Dann erweitere ich die Auswahlpalette in eine neue Stilrichtung.

Bin weiterhin unentschlossen. Drängen Sie mich?

Wenn überhaupt ein Stück in Frage kommt, biete ich Ihnen einen Umtausch an. Oder ich schlage Ihnen eine Bedenkzeit vor – wenn es nicht gerade fünf Minuten vor Geschäftsschluß ist.

Sie lassen mich aus Ihren Klauen?

Wenn Sie sich menschlich gut behandelt und verstanden fühlen, werden Sie meinem Geschäft den Vorzug geben. Das ist ein Erfahrungswert. Das Hindrücken zu einem Stück bringt gar nichts.

Interview: bam