Vertuscht, verunglimpft und versetzt

■ Schadensbegrenzung im Plutonium-Skandal: Der BND opfert eigene Mitarbeiter. Doch die Widersprüche häufen sich, und Schmidbauers Amt wird in Frage gestellt

Bonn (taz) – Nicht nur der Beamte im Auswärtigen Amt, Claus Auer, auch andere, in den Plutoniumschmuggel verwickelte Mitarbeiter, sind von „Zersetzungsmaßnahmen“ aus BND und Kanzleramt betroffen. Beispielswiese der Resident des BND in Spanien, Peter Fischer-Hollweg alias „Eckerlin“. Seine Abteilung hatte den Schmuggelvermittler Rafa als V-Mann angeheuert.

Diese Woche wurden Presseberichte gestreut, Fischer-Hollweg sei „nach Kuba versetzt“ worden – eine BND-Redewendung, die intern bedeutet: Jemand wird in die Wüste geschickt.

Fischer-Hollweg ist aber nach wie vor in der Botschaft in Spanien zu erreichen. „Ich sitze hier und lese El Pais und das, was Sie so schreiben“, sagte er am Telefon zur taz, schwieg aber zu Nachfragen. „Manchmal tut's mir leid, daß ich dazu nichts sagen darf“, war sein einziger Kommentar.

Deutlich hat er seinen Gram laut BND-Akten am 11.5.95 per Telex in Pullach vorgebracht: „Richtig ist, daß 11a (die Abteilung operative Aufklärung des BND, d. Red.) alles, aber auch alles getan hat, um zumindest zwei Mitarbeiter der Residentur unglaubwürdig zu machen.“ Es könne aber „nicht erwartet werden, daß zu Unrecht beschuldigte Personen alles über sich ergehen lassen“.

Auch V-Mann Rafa gehört zu den Denunzierten. Nachhaltig wird derzeit aus BND- und Kanzleramtskreisen in Umlauf gebracht, ihn erpresse die russische Seite zu seinen BND-kritischen Aussagen – jedoch ohne konkreten Beleg. Ein Focus-Foto Rafas im Flugzeug nach Bonn wurde scheinbar vom Geheimdienst gemacht, denn im Focus-Archiv trägt das Bild einen Sperrvermerk, und über seine Herkunft gibt es keinen Kommentar.

Hier werden „gezielt Menschen in ein schräges Licht gerückt“, beklagte auf Nachfrage der taz SPD- Obmann Hermann Bachmeier im Untersuchungsausschuß. Mißtrauen bleibe angesagt, die Geheimdokumente, die Schmidbauer vor einer Woche der Presse freigab, bestärken ihn darin. Darin hat der BND in einem Dokument vom 25.7. die „erstmalig konkrete Zusammenarbeit“ zwischen BND und Landeskriminalamt Bayern als „Pilotprojekt“ bezeichnet. Mindestens drei BND-Vertreter waren an Lagebesprechungen beteiligt, zwei BND-Männer, Rafa und sein Nicht-nur-Dolmetscher „Adriano“ führten die Verhandlungen in maßgeblicher Funktion.

Willy Liesmann alias „Adriano“ sollte ursprünglich im Januar vor den Untersuchungsausschuß geladen werden. Er zog aber diese Woche seine Aussagebereitschaft zurück. Denn seine Aussagen könnten ihn selbst und den BND belasten, wenn es um die Frage geht: Wer bestellte die Lieferung so, daß sie aus Moskau kommt?

Bernd Schmidbauer gibt nach wie vor an, davon erst am Tag nach der riskanten Lieferung der 363 Gramm Plutonium informiert worden zu sein, am 11. August. Das ist eher peinlich für den Geheimdienstkoordinator. Denn schon am 27. Juli schrieb das BKA in einer Nuklear-Sofortmeldung, „im Lauf der Verhandlungen stellte sich dann heraus, daß das Plutonium noch in Rußland ist.“ Nur ein Kilo der zunächst bestellten Menge wurde in Berlin vermutet. Ab Beginn der eigentlichen operativen Phase des Vorgangs wäre die Leitung „so dicht wie in kaum einer anderen eigenen Operation des Dienstes unterrichtet worden“, schrieb der BND-Leiter des Leitungsstabs rückblickend am 18.4.95. Über die abhörsicheren Leitung hätten sich die Spitzen aus BND und Schmidbauer-Abteilung im Kanzleramt auf dem laufenden gehalten, das heißt, weitgehend mündlich, denn im Beamtenapparat wird bei solchen Chefsachen weniger Wert auf Vermerke gelegt. Der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschuß, Wilfried Penner, hat gestern bereits verlangt, daß das Amt des Geheimdienstkoordinators „abzuschaffen“ sei. Bernd Schmidbauer wäre dann arbeitlos. Holger Kulick