Skrupellos und gewissenlos

■ Mit Stasimethoden dem Plutoniumskandal trotzen

Wen die Stasi nicht anders besiegen konnte, der wurde zersetzt – verleumdet, diskreditiert und durch gezielte Gerüchte um seinen Ruf gebracht. Der BND beherrscht dieses Agenteneinmaleins auch. Diejenigen, die mehr verraten, als in den spärlichen Akten steht, werden als unglaubwürdig behandelt: der Fachreferent Auer im Außenministerium, der Spanienresident „Eckerlin“ des BND und der Zeuge „Rafa“. Laut Akten sollte dies ein „Pilotprojekt“ für Zusammenarbeit werden, zwischen dem BND auf Erfolgssuche und dem Landeskriminalamt Bayern, das vorgeschoben wurde, weil der BND eigentlich im Inland nicht agieren darf. Doch das Projekt ist abgestürzt. Es wurde erfolgssüchtig durchgezogen, das Plutonium wurde auf leichtfertig ungesichertem Weg aus Moskau nach München geflogen – ein künstlicher Markt erzeugt.

Jetzt hat der Kanzler das Ganze zur Chefsache erklärt. Die Verantwortlichen sollen endlich vor den Untersuchungsausschuß – wohl auch um neue Sprachregelungen auszugeben. Einerseits überfällig ist die Vernehmung von Schmidbauer, Porzner und BKA-Chef Zachert, andererseits kommt sie der Vernehmung wichtiger Einzelzeugen zuvor, nach deren Aussagen man das Trio sicher ohnehin befragen müßte. Der Grundtatbestand ist aber kaum noch zu verwischen. Denn seine Hand ins Feuer wollte Bernd Schmidbauer ursprünglich dafür legen, daß der BND nicht als Nachfrager von Nuklearmaterial aufgetreten sei. Aber diese Aussage ist inzwischen geschenkt. Derweil versucht man sich in Rechthaberei und Klagen. BND-Chef Porzner will Rafa verklagen, Rafa den BND. Ulrich Maurer von der SPD fordert, Schmidbauer zu verklagen wegen Anstiftung zum bösen Tun. Schmidbauer will beim Presserat über die Presse klagen.

Fast vergessen ist, daß längst Strafanzeigen eingereicht sind. Seit April die vom Verband „Internationaler Ärzte zur Verhütung des Atomkriegs“ und seit Mai eine noch viel berufenere der „Unabhängigen Flugbegleiter-Organisation“. Diese beklagt, daß das strahlende Material ungeschützt transportiert worden und selbst das Flugpersonal nach der Landung noch ohne Warnung geblieben sei. Körperverletzung sei, wie hier Menschen gefährdet wurden. Aber von Ermittlungen haben beide Kläger bis heute nichts gehört.

Frage: Ob bei allen Helfern, die Reinwaschung betreiben, denen im Kanzleramt wenigstens ein schlechtes Gewissen bleibt? Offensichtlich nein – bei aller bewiesenen Skrupellosigkeit. Holger Kulick