Wenigstens einmal am Tag Sex

■ Weiberheld, Männerkumpel, "Dino", später auch einsamer Kampftrinker: Dean Martin starb mit 78 in Hollywood

Natürlich mußten die normalen Liebespaare auch sein: Gable & Lombard, Bogart & Bacall, Spencer Tracy & Katharine Hepburn oder, für die aufgeklärten Sechziger, Burton & Taylor – alles geschäftliche Verbindungen, bei denen sich auch noch ein kleiner sentimentaler Mehrwert herausschlagen ließ, gelegentlich sogar ein bißchen tragisch umflort durch anderweitige Verpflichtungen und tödliche Unfälle, aber die wahre Liebe ereignete sich in Hollywood nur zwischen Männern. Stan Laurel und Oliver Hardy sind so eng und unerschütterlich aneinandergekettet, daß damit verglichen jedes Eheverlies ein Paradiesgärtlein ist. Abbott und Costello hat Gott verbunden, und kein Mensch soll das trennen – und dann sind da Dean Martin und Jerry Lewis. Erste Voraussetzung für eine solche ideale Paarung ist das mismatch, die Liebenden dürfen ums Verrecken nicht zusammenpassen. Der eine muß zum Beispiel groß und mager, der andere eher rund sein, oder der eine dick, der andere doof. In den Fünfzigern gestattete man sich immerhin soviel Subtilität, daß Dean Martin gut aussehen durfte und Jerry Lewis nicht; daß Jerry der Jude war und Dino der schmalzende Spaghetti; daß schließlich, und darum geht es doch seit Nietzsches Definition des Mannes, der auch bloß ein Spielratz ist, Jerry Lewis hemmungslos regressiv war und Dean Martin immer bloß hinter den Weibern her.

So wie er wär Jerry gern gewesen, elegant, gewandt und alles, dazu noch diese allzeitbereite Stimme, ein Weiberheld, aber er traute sich nie. Er wollte es lieber nicht so genau wissen, was es mit den Frauen so auf sich hatte, und infantilisierte vorsichtshalber, hoffte vielleicht noch darauf, daß sie ihn, wenn es ernst wurde, in den Arm nahmen und herzten und küßten und weiter nichts verlangten von ihm. Es sollte ihm bloß keiner drauf kommen, daß er auch schon erwachsen war. Und so ergänzten sie sich ideal: Im Vorderhaus entfaltete Dino seinen brillantinen Charme, hinten stolperte Jerry in den Goldfischteich. Sie konnten einfach zueinander nicht finden. Dino sang zum offenen Fenster hinaus, als sie in „Hollywood or Bust“ durch Amerika reisten, und Jerry Lewis machte den Deppen und quäkte mit, und es sind, ich schwör's, die schönsten Duette der Filmgeschichte.

Wenn Dino allein sang, verlor die Saalbeleuchtung regelmäßig mehrere Lux, die Augen der antroubadourisierten Frauen wurden größer und weiter, Dino konnte sie alle haben. In „Kiss Me Stupid“ befallen ihn sofort tückische Kopfschmerzen, wenn er nicht wenigstens einmal am Tag Sex hat. Aber macht das glücklich?

Glücklich wurde er nie mehr nach der Trennung von Jerry Lewis, verbrachte die Nächte mit anderem halbseidenen Gelichter wie Frank Sinatra und Sammy Davis jr., man kampf- und kummmertrank und war fröhlich und wie in alten Zeiten hinter den Röcken her, aber es war nicht dasselbe.

Zehn Jahre arbeiteten Martin & Lewis zusammen. Von 1946 an in Nightclubs, im Radio, schließlich in Hollywood, 16 Filme lang. Der letzte gemeinsame hieß „Hollywood or Bust“, aber das hatten sie längst geschafft. Dean Martin begann sofort seine eigene Karriere, wurde sogar halbwegs seriös als Schauspieler. „Rio Bravo“ von Howard Hawks war darunter, aber John Wayne hatte leider gar nichts von Jerry Lewis. Billy Wilder versuchte es mit ihm in „Kiss Me Stupid“, und es wurde einer seiner schlechtesten Filme. Dabei hatte er sogar noch Dinos Image parodieren wollen, den erfolgreichen Frauenhelden, den König von Las Vegas, der in der Provinz, außerhalb seiner Sandburg, kläglich scheitert. Nach ihren zehn gemeinsamen Ehejahren habe er, behauptet Jerry Lewis, seinen Pardner Dean Martin sinnend angeschaut, also vermutlich auf seine bewährte strunzdumme Art die Augen zärtlich verdreht und gesagt: „Ich glaube, es ist die Liebe, die wir immer noch füreinander empfinden.“ Da war's aus.

Am Montag ist Dean Martin im Alter von 78 Jahren in Los Angeles gestorben. Als Todesursache wird ein Zusammenbruch des Atemsystems angegeben. Willi Winkler