■ Der Sonnentempler-Orden
: Gehorsam und dubiose Geschäfte

Der „Orden des Sonnentempels“ ist nur eine von über hundert Sekten auf der ganzen Welt, die die direkte Nachfolge des Templerordens beanspruchen, eines geistlichen Ritterordens, der im Frankreich des 12. Jahrhundert gegründet wurde. Der Orden breitete sich seinerzeit rasch aus und verfügte über erheblichen Reichtum. Er wurde 1312 von dem französischen König Philipp dem Schönen aufgelöst. Der damalige Großmeister, Jacques de Molay, wurde wegen ketzerischer Geheimlehre auf dem Scheiterhaufen verbrannt, alle übrigen Ordensbrüder wurden verhaftet oder getötet.

Die mittelalterlichen Templer mit ihren geheimbündlerischen Praktiken und dubiosen Geldgeschäften standen Pate, als die Bewegung in diesem Jahrhundert wieder ins Leben gerufen wurde. Der frankokanadische Homöopath Luc Jouret, der bei dem Massenselbstmord vom vergangenen Jahr starb, baute ab 1981 den schweizerisch-kanadischen „Orden des Sonnentempels“ auf. Die Sekte bezeichnet sich selbst als „areligiös, apolitisch und egalitär“. In Wirklichkeit ist sie aber offensichtlich streng hierarchisch gegliedert und hat es sich zur Aufgabe gemacht, den „Kommunismus im Namen des Christentums“ zu bekämpfen.

Die von Jouret verfaßten Ordensregeln bestimmten Pflichten und Verhaltensweisen der Ordensmitglieder bis ins kleinste Detail, Männern und Frauen wurden strenge Kleidervorschriften gemacht. Die Statuten schreiben die Allmacht des Großmeisters fest, dem die unteren Chargen der Sekte wiederspruchslos zu gehorchen haben.

In den achtziger Jahren lockte man Mitglieder, indem man ihnen einen zeitgenössischen Cocktail aus Astrologie, Yoga, New Age und jüdischer Mystik anbot. Scheinbar machten es sich die Sonnentempler zunehmend zum Ziel, Schlüsselpositionen der Gesellschaft zu besetzen, denn das Kriterium für die Auswahl der Ordensbrüder und -schwestern war guter Verdienst und eine einflußreiche Stellung. Zahlreiche Ärzte und Bankangestellte sollen ihm angehören, der Verdacht, der Orden betreibe Waffenhandel und Geldwäsche, konnte nie ausgeräumt werden.

Die Schweiz, lange Zeit Schaltzentrale der Sonnentempler, bildet nach Ansicht von Experten einen idealen Nährboden für Sekten. Der verbreitete Wohlstand und die „kleinkarierte Tüchtigkeit“ vieler Eidgenossen machen das Land nach Ansicht des Schweizer Sektenkenners Georg Schmid für viele Jugendliche zum Gefängnis. Sie suchten Auswege in Drogenkonsum oder bei Sekten. Noch immer soll es in Frankreich und der Schweiz 30 bis 40 organisierte Sonnentempler geben. abm