Italiens Regierung will bis Neujahr zurücktreten

■ Ministerpräsident Lamberto Dini möchte sein eigener Nachfolger werden

Rom (taz) – Mit dem für diese Woche angekündigten Rücktritt von Ministerpräsident Lamberto Dini steht in Italien wieder einmal eine Regierungskrise bevor – zwischen Weihnachten und Neujahr schon fast traditionell. 1993 kündigte der damals ebenfalls recht erfolgreiche Carlo Azeglio Ciampi die Demission seines Kabinetts an und öffnete damit den Weg zu Neuwahlen; im Dezember 1994 wurde Silvio Berlusconi durch den Austritt der Lega Nord aus der Rechts-Koalition gestürzt; und nun müssen die Fraktionen von Senat und Abgeordnetenhaus erneut beraten, ob sie noch einmal eine tragfähige Allianz zustande bringen. Sonst müßte Staatspräsident Oscar Luigi Scalfaro Neuwahlen ausschreiben. „Früher“, spottet der Staatssender RAI, „gab es die Tradition der Badekabinette“ – provisorische Administrationen während der sommerlicher Ferienzeit –, „nun bekommen wir Silvesterknaller als Regierungsersatz.“

In seiner weihnachtlichen Pressekonferenz hatte Dini eine überaus positive Bilanz seiner zwölf Monate reiner Technokratenregierung gezogen. Die Verabschiedung der „Anfang 1995 gesetzten Vorgaben“ – darunter die Rentenreform, das Haushaltsgesetz, gleicher Zugang für alle Parteien zu den Massenmedien – sei vollendet, die Weichen für die Konsolidierung der Staatsfinanzen seien gestellt. Dann zählte Dini die Aufgaben der künftigen Regierung auf, vor allem im Hinblick auf das „europäische Semester“ Italiens und eine „Wiederzusammenführung unseres immer mehr in zwei Teile auseinanderdriftenden Landes“.

Verlegene Politiker

Allen Beobachtern war klar, daß es für Dini nur einen gibt, der diese Aufgaben lösen kann: ihn selbst. Für Europa will er die (natürlich durch ihn) „wiedergewonnene Glaubwürdigkeit“ stabilisieren. Für das vor allem in Hinblick auf Arbeitslosigkeit und Infrastruktur zwischen Nord und Süd zerrissene Italien stellt er sich einen „Sozialpakt“ und eine „ständige Entwicklungskonferenz“ vor. Auch ein paar Zuckerl für die notorischen Separatisten der Lega Nord kamen vor: einen Regionalismus nach bundesdeutscher Art könne er sich vorstellen, sagte Dini.

Berlusconis Optionen

Verlegenheit herrscht seither wieder einmal bei den Parteien. Sieht man von den linken und rechten Rändern ab, wo Rifondazione Comunista und Nationale Allianz weiter unbeirrt sofortige Neuwahl fordern, so schaukeln die beiden großen Parteien – Mitte-Rechts unter Führung der Forza Italia Berlusconis und Mitte-Links unter der Demokratischen Partei der Linken – unentschlossen hin und her. Berlusconi hat sich auf Druck seiner kleineren Alliierten auf die Socken gemacht und sondiert auch beim politischen Gegner die Möglichkeit einer großen Koalition, die eine Reihe von Verfassungsänderungen vorbereiten soll: Stärkung des Regierungschefs nach bundesdeutscher Art oder Einführung eines Präsidialsystems à la française, Stärkung der Regionen und Änderungen im Justizsystem.

Sollten die Sondierungen erfolgreich sein, will Berlusconi einer Regierung von mindestens zwei Jahren Lebensdauer in den Sattel helfen. Dabei ist er sich bewußt, daß dies den Bruch mit seinem bisherigen Hauptverbündeten, der rechtsradikalen Nationalen Allianz, bedeuten würde. Da aber die Linksdemokraten mit der Rifondazione Comunista dasselbe Problem hätten, würde er das in Kauf nehmen. Seine Berater streuen bereits, von einer Trennung von den Allzurechten erwarte man neue politische Kreditwürdigkeit.

Bleibt die Frage des Regierungschefs. Berlusconi hat Dini noch immer nicht verziehen, daß dieser sich, obwohl von ihm selbst seinerzeit vorgeschlagen, auf eine Mitte-links-Mehrheit gestützt hat. Andererseits aber ist Dini bisher der beste Garant dafür gewesen, daß ein Hauptwunsch der Linken nicht erfüllt wurde, nämlich die Verabschiedung eines wirkungsvollen Antitrust- und Mediengesetzes. Dini, als Wendehals, hat diese Maßnahme in seiner Pressekonferenz so deutlich ausgeklammert, daß das Signal bei Berlusconi hinreichend angekommen sein dürfte. Werner Raith