„Es ist eine eigenständige Lebensform“

■ Volker Beck, rechtspolitischer Sprecher der Grünen, über nichteheliche Lebensgemeinschaften

taz: Die Bündnisgrünen plädieren für die rechtliche Anerkennung von nichtehelichen Lebensgemeinschaften. Wie definieren Sie diese Form des Zusammenlebens?

Volker Beck: Es gibt unterschiedliche Arten von Lebensgemeinschaften. Zum einen die Ehe, die wir auch für Homosexuelle öffnen wollen, zum anderen gibt es nichteheliche Lebensgemeinschaften, die sich bewußt gegen die Ehe entschieden haben, trotzdem auf Dauer zusammenleben wollen. Wir meinen, diese Lebensgemeinschaften sind grundsätzlich auch schutzwürdig gegenüber Eingriffen von Staat und Gesellschaft in das Binnenverhältnis dieser beiden Personen. Bei der gesetzlichen Definition sind wir noch offen.

Wie könnte die aussehen?

Es gibt verschiedene Regelungsmöglichkeiten. Man kann an den Tatbestand des Zusammenlebens anknüpfen, wie das in Schweden und Frankreich geschieht. Man muß aber auch die Living- apart-together-Lebensgemeinschaften einbeziehen, die in zwei Wohnungen leben, aber ihr Leben gemeinsam planen. Es darf jedoch keine Zwangsverrechtlichung geben, so daß an das Zusammenziehen in einer Wohngemeinschaft nicht unausweichlich ein Rattenschwanz von Rechtsfolgen geknüpft ist. Wir wollen größtmögliche Liberalität.

Sie fordern ein „eigenes Rechtsinstitut“ für nichteheliche Lebensgemeinschaften. Was heißt das genau?

Wir wollen zum einen, daß Partner als Familienangehörige betrachtet werden und daß die Rechtsfolgen des Zusammenlebens und die des gemeinsamen Kinderhabens geregelt werden. Das heißt auch, daß unverheiratete Paare ein gemeinsames Sorgerecht haben können, wenn sie das wollen. Und auch, daß nichteheliche Elternpaare Kinder adoptieren oder in Pflege nehmen können.

Wie würden sich denn die rechtlich anerkannten Lebensgemeinschaften noch von der herkömmlichen Ehe unterscheiden?

Wir wollen nicht, daß Partner in einer nichtehelichen Gemeinschaft grundsätzlich verpflichtet sind, einander Unterhalt zu zahlen. Entsprechend soll generell auch keine sozialrechtliche Subsidiarität oder steuerrechtliche Privilegierung erfolgen. Wobei es bei der Frage des Unterhalts sicher Ausnahmen geben muß, zum Beispiel wenn einer seine Erwerbsarbeit aufgibt, um gemeinsame Kinder oder eine pflegebedürftigen Person zu versorgen, um die sich beide kümmern. Vorstellen kann ich mir auch, daß tatsächlich geleisteter Unterhalt von der Steuer absetzbar ist. Wenn man allerdings die nichtehelichen Lebensgemeinschaften sozialrechtlich anerkennt – was ja schon geschieht –, muß man dies entsprechend steuerrechtlich tun.

Welche Nachteile erleben nichteheliche Lebensgemeinschaften bisher?

Das ist für Homo- und Heterosexuelle unterschiedlich. Heterosexuelle können oftmals noch den Status eines Familienangehörigen durch die Hintertür bekommen, wenn sie sagen, sie seien verlobt. Das ist zwar nicht ganz sauber, kann aber im Zweifelsfall einige Probleme – zum Beispiel beim Zeugnisverweigerungsrecht – lösen. Für Homosexuelle ist das nicht möglich. Deswegen sollte das verstaubte Kapitel über das „Verlöbnis“ durch ein modernes Recht der „nichtehelichen Lebensgemeinschaft“ im Bürgerlichen Gesetzbuch ersetzt werden.

Wie wollen die Bündnisgrünen den Widerstand konservativer Politiker brechen, die um den Fortbestand der Ehe fürchten?

Indem wir sie beim Wort nehmen. Denn die konservativen Familienministerinnen Rönsch und Nolte sagen immer, die nichteheliche Lebensgemeinschaft sei kein Hinweis dafür, daß die Ehe in der Krise sei, sondern der Vorhof zur Ehe – sozusagen das Äquivalent zum Verlöbnis im 19. Jahrhundert. Ich bestreite das. Diese These gilt sicher für eine Minderheit. Für die Mehrheit ist die nichteheliche Lebensgemeinschaft eine eigenständige alternative Lebensform. Aber für die Minderheit müssen doch selbst Konservative wünschen, daß sie ähnlich wie Verlobte rechtlich anerkannt werden. Außerdem scheuen diese Politiker sich nicht, die nichteheliche Lebensgemeinschaft in der Sozialgesetzgebung anzuerkennen, wenn es den Betroffenen an den Geldbeutel geht.

Mit der Reform des Kindschaftsrechts soll den nichtehelichen Lebensgemeinschaften doch schon das gemeinsame Sorgerecht zugestanden werden?

Stimmt. Das heißt, nichteheliche Elternschaft wird anerkannt, was verfassungsrechtlich auch geboten ist. Nach dieser Anerkennung ist es aber doch absurd, die Mutter-Kind-Beziehung und die Vater-Kind-Beziehung anzuerkennen und rechtlich weiter so zu tun, als seien die beiden Eltern einander Fremde.

Glauben Sie, daß Sie sich mit Ihren Vorstellungen durchsetzen können?

Es wir jetzt sicher die routinemäßigen Abwehrkämpfe geben. Aber ich glaube, daß es in der nächsten Wahlperiode zu einer Regelungen kommen wird. Interview: Karin Nink