Von Rosenquarzen und anderen üblen Nachreden Von Klaudia Brunst

Natürlich war der Advent bei uns genauso besinnlich wie überall. Jede freie Minute verbrachten wir in diversen Kaufhauskassenschlangen – immer bemüht, weder den Überblick noch die Umtauschquittungen zu verlieren. In den Mittagspausen pilgerten wir dann an den Paketschalter des nicht eben nahegelegenen Postamts, um die – keineswegs in unserer Abwesenheit – eingetroffenen Weihnachtspakete („heute, jedoch nicht vor 16 Uhr“) entgegenzunehmen. Meine höfliche Frage, ob die Zusteller die Pakete eigentlich überhaupt noch in den Wagen laden, wenn sie sich dann doch dafür entscheiden, nur die orangene Karte auszuliefern, quittierte der Postbeamte mit einem murrenden „Wir tun, was wir können.“ Was ja auch eigentlich niemand in Frage gestellt hatte. Sei's drum. Am Vormorgen des Heiligabends war dann jedenfalls tatsächlich alles erledigt. Und so war es eigentlich pure Gewohnheit, daß wir uns noch einmal ins Getümmel des verkaufsoffenen Samstags stürzten. Aber der Genuß, daß man in einer Kassenschlange steht, obwohl man doch gar nichts mehr braucht, ist eben einfach zu und zu schön.

Schließlich haben wir dann aber doch noch etwas eingekauft. Meine Freundin sammelt nämlich Steine. Und obwohl ich nicht im geringsten verstehe, warum man sich etwas für teuer Geld kauft, das doch eigentlich gewissermaßen auf der Straße herumliegt, konnte ich schließlich nicht umhin, ihr einen zu schenken. Das sei ein Rosenquarz, erklärte uns der Händler, gerade frisch hereingekommen aus Nigeria und allseits beliebt bei Einschlafstörungen und anderen Bettproblemen. Denn der Rosenquarz, so seine Ausführungen, absorbiere die elektrischen Schwingungen von Kleingeräten wie Weckern oder Leselampen. Man stelle den Stein einfach auf den Nachttisch, und schon sei die Nacht bis auf weiteres gesichert. Allenfalls gelegentlich müsse der Heilstein wieder entladen werden – unter kaltem Wasser, so daß die gespeicherte Energie wieder abfließen könne.

Wir glaubten ihm natürlich kein Wort, stellten den Quarz also nicht wie geheißen auf die Bettkonsole, sondern zu den anderen Geschenkpaketen neben das Hundekörbchen. Mit gewissem Erstaunen stellten wir am nächsten Morgen fest, daß der Hund sich an diesem Tag kaum wecken ließ. Auch den ganzen folgenden Tag verbrachte er derart häufig in seinem Korb , daß wir schließlich ernsthaft in Erwägung zogen, den Tierärztlichen Notdienst zu verständigen.

„Vielleicht ist ja doch etwas dran“, argwöhnte meine Freundin, und entsorgte den Quarz nun doch sicherheitshalber auf unseren Nachttisch. Noch bevor wir die heilsame Wirkung des Steins im Selbstversuch testen konnten, klingelte uns unsere Nachbarin zu später Stunde aus dem Bett, um sich nach unserem Wohlbefinden und etwaig übriggebliebenen Bratenresten zu erkundigen. Während meine Freundin ihr in der Küche ein kleines Care-Paket zusammenstellte, hockte sich unser Gast „auf eine letzte Zigarette“ zu mir auf die Bettkante. Natürlich fiel der argusäugige Blick meiner Nachbarin prompt auf den Quarz. „Ein Venushügel!?“ flüsterte sie ungläubig. „Soll ja angeblich im Bett total stimulieren. Aber daß ihr so einen Hokuspokus nötig habt, hätte ich nun wirklich nicht gedacht.“