Frankfurts Grüne von der Rolle

Die Grünen regieren im schwarz-rot-grünen Magistrat mit, würden aber lieber gegen die christdemokratische Oberbürgermeisterin opponieren  ■ Aus Frankfurt Klaus-Peter Klingelschmitt

Für die FAZ waren sie einst die letzten Preußen, Garanten für eine stabile Politik in der Mainmetropole in den wirren Zeiten der rot- grünen Koalition im Römer und der permanenten sozialdemokratischen Ränkeschmiede und Possen. Heute sind sie das letzte Aufgebot, politisch ausgebootet von einer Quasikoalition aus Christ- und Sozialdemokraten und ohne Vorstellungen von einer neuen Politik im Römer unter den veränderten Bedingungen. Die bündnisgrünen Artisten: ratlos unter der Zirkuskuppel.

Zusammen mit den Republikanern drücken sie die Oppositionsbank. Noch vor wenigen Monaten hatten sie selbstbewußt behauptet, auch die Sozialdemokraten zu gestandenen Oppositionspolitikern dressieren zu können.Doch die haben schnell erkannt, daß gegen sozialdemokratische Magistratsmitglieder nur schwer eine glaubwürdige Oppositionspolitik zu organisieren ist. Sozial- und Christdemokraten arrangierten sich im schwarz-rot-grünen Magistrat schneller als prognostiziert. Die SPD wählte – zusammen mit der CDU – drei christdemokratische Dezernenten neu in den Magistrat und durfte dafür ihre Dezernenten behalten. Die Bündnisgrünen, die mit Schuldezernentin Jutta Ebeling und Kämmerer und Umweltdezernet Tom Koenigs gleichfalls über zwei Parteimitglieder im Magistrat verfügen, waren weg vom Fenster. Roth tastete bislang die beiden Dezernate nicht an, obgleich die Bündnisgrünen fest damit gerechnet hatten, daß die OB dem Frontmann der Grünen, Tom Koenigs, die Kämmerei entziehen und ihn zum Wald- und Wiesendezernenten ernennen würde. Dann hätte für die Bündnisgrünen zumindest das Feindbild wieder gestimmt.

Doch den Gefallen tat die mit der Dezernatsverteilungskompetenz ausgestattete Roth den verzweifelt eine neue politische Rolle suchenden Bündnisgrünen nicht. Die im Römer auf die Oppositionsbänke zurückgeworfenen Grünen regieren weiter im Magistrat mit – eine Konstellation, mit der weder die Parteiführung im Römer umgehen, noch die Basis lange leben kann. „Das ist doch alles Irrsinn“, kommentierte in dieser Woche ein frustrierter Angestellter der Partei im Kreisbüro die Lage. Man werde die beiden Dezernenten auf keinen Fall freiwillig aus dem Magistrat zurückziehen, sagte die Fraktionsvorsitzende der Bündnisgrünen im Römer, Martina Schmidbauer, schon im November nach einer Klausurtagung von Fraktion und Magistralen. Denn schließlich könne man denen, die dabei seien, die Stadt ins Unglück zu stürzen, das Ruder nicht alleine überlassen. Doch Koenigs und Ebeling sind allenfalls die Rudergänger. Den Kurs bestimmen Petra Roth und die Quasikoalitionäre in Magistrat und Stadtparlament.

Und aus deren Politik läßt sich für die Bündnsigrünen auch nur schwer Honig saugen. Roth gab eine Bestandsgarantie für das Amt für multikulturelle Angelegenheiten und für den ehrenamtlichen Dezernenten Dany Cohn-Bendit (Bündnisgrüne) ab. Dessen Rücktritt verlangen heute die AusländerInnen, denn Cohn-Bendit, so ihr Vorwurf, kümmere sich als Abgeordneter des Europaparlamentes inzwischen mehr um Europafragen als um die MigrantInnen in der Stadt. Selbst die noch von Margarete Nimsch (Bündnisgrüne) initiierte neue Drogenpolitik in Frankfurt wurde vom neuen CDU-Dezernenten als „fortsetzungswürdig“ deklariert. Die große Wende hin zu einer erzkonservativen Politik, wie sie von den Bündnisgrünen nach der Direktwahl von Petra Roth prognostiziert worden war, fand bislang nicht statt.

Doch nicht nur die Bündnisgrünen scheinen völlig von der Rolle zu sein. Um wenigstens die Glorie aus vergangenen Zeiten zu retten, stimmten sie und die Sozialdemokraten am Dienstag vergangener Woche im Römer noch einmal gemeinsam für eine Vorlage gegen Vorwürfe des Landesrechnungshofes. Dessen Präsident Müller hatte behautet, daß die sogenannte Sparpolitik in Frankfurt als „mangelhaft“ bezeichnet werden müsse. Für die „Sparpolitik“ zeichneten nämlich – zumindest bis zum Wechsel auf dem OB-Sessel – der bündnisgrüne Kämmerer Tom Koenigs und Ex-OB von Schoeler (SPD) verantwortlich. Den Entlastungsantrag hatte OB Roth formuliert. Bei der Abstimmung votierten sie und die Christdemokraten dann jedoch gegen den eigenen Antrag – späte Rache. Kommentar der ehrenamtlichen Stadträtin Lili Polt (SPD): „Das Durcheinander kann man den Bürgern eigentlich nicht mehr erklären.“

Doch noch wollen die Bündnisgrünen ihre Frankfurter Bastion nicht verloren geben. An der Basis wollen einige jetzt wieder die Ärmel aufkrempeln und in den Stadtteilen „Politik für die Menschen vor Ort“ neu entwickeln, orientiert an den Alltagsproblemen der FrankfurterInnen. Der Kreisverband hat eine AG Stadtentwicklung ins Leben gerufen. Und die Grüne Jugend in Frankfurt geht in diesen Tagen wieder auf die Straße, um die Öffnung von U-Bahn-Stationen für Obdachlose durchzusetzen. Back to the roots? Noch ist das kein Trend. Aber zu dieser Form von „political directness“, sagt einer von der Grünen Jugend, gebe es keine Alternative mehr. Denn die im Römer, die könne doch, wenn das so weitergehe, bald kein Mensch mehr ernst nehmen.