War da etwas?

■ Kaum noch Proteste gegen Frankreichs Atomtests

Zum fünften Mal in diesem Jahr hat Jacques Chirac eine Atombombe explodieren lassen. Zum fünften Mal bestellten die Regierungen der Pazifikregion die französischen Botschafter ein, um ihnen zum fünften Mal ihren scharfen Protest mitzuteilen. In Europa dagegen waren die offiziellen Rügen sehr verhalten. Die Bundesregierung konnte sich nicht einmal dazu entschließen, eine neue Erklärung zu formulieren.

Aber auch auf den Straßen europäischer Städte war kein Protest zu vernehmen. Von der sozialen Bewegung, bei der sich vor dem ersten Test Millionen gegen die französische Atompolitik wandten, ist so gut wie nichts mehr übrig. Patricia Fromm, Greenpeace- Mitarbeiterin, entschuldigt das und erklärt: „Aber der Protest in den Köpfen wird immer stärker und nachhaltiger.“ Wer dabei an sich selbst denkt, weiß, wie realitätsfern diese Behauptung ist. Hierzulande wollen doch die meisten nicht mal mehr etwas von dem – zweifelhaften – Boykott französischer Waren wissen. Und auch den meisten Medien wird das Ereignis vermutlich nicht viel mehr als eine Kurzmeldung wert sein. War da was?

So gesehen ist die Rechnung des französischen Präsidenten aufgegangen. Die Proteste werden immer leiser, je länger die Atomtestserie im Pazifik dauert. Gründe dafür gibt es wohl mehrere.

Zum einen hat sich Chirac so starr und unbeeindruckt gezeigt, daß die meisten Menschen die Hoffnung, irgendeinen Einfluß auf seine Entscheidung ausüben zu können, aufgegeben haben. Zum anderen flauen soziale Bewegungen immer dann ab, wenn ein Ende des Ereignisses absehbar ist. Das war beim Golfkrieg so, und das ist bei den Atomtests nicht anders. Der Protest gegen etwas, das erst kommen soll, ist hingegen meist wesentlich zäher. Schließlich ist die Frage, wer sich durchsetzt, (scheinbar) noch offen. Aber auch die Nähe zum Ort des Geschehens spielt eine nicht unbedeutende Rolle. Insofern kann die französische Atomtestserie hierzulande ebensowenig eine dauerhafte Massenmobilisierung auslösen wie das Ozonloch in der Stratosphäre.

Ein Spiel mit dem Feuer bleiben die Atomtests für den französischen Präsidenten dennoch. Er hat sich und seinem Land nicht nur in der Pazifikregion echte Feinde geschaffen, und Japan ist schließlich kein machtloser Feind. Auch in Frankreich selbst hat er Kredit verspielt, weniger durch seinen Atomkurs als vielmehr durch sein großkotziges Gehabe. Annette Jensen