Wo die taz tobte, tanzt bald die Kunst

■ Mit der Ausstellung „Tanz auf dem Vulkan“ wird Chris Steinbrecher, ehemals und neuerdings wieder Galerist zu Bremen, am Dobben 123 seinen Einstand geben

Wer künftig das Haus am Dobben Nummer 123 betritt, um einen furiosen Leserbrief abzugeben („BILD-Zeitungs-Stil!“), eine vertrauliche Information loszuwerden („Borttscheller hat Fußschweiß“) oder dem Kolumnisten eine Tafel Schokolade zu bringen, wird nicht mehr die taz antreffen, sondern Herrn Steinbrecher. Wo bald ein Jahrzehnt lang Meinungen und Meldungen tobten, kehrt Stille ein: Chris Steinbrecher ist Galerist. Zum Renovieren gibt er sich einen Monat Zeit. Am 2. Februar wird er seine Türen öffnen und dem Bremer Publikum zeigen, warum er eine Bereicherung für die Stadt ist.

„Steinbrecher“ – da war doch was? Richtig, die Galerie Steinbrecher gab es schon mal, sogar am Dobben, nur schräg gegenüber, in dem Haus, wo jetzt der BUND residiert. Noch vor fünf Jahren war das ein stadtbekannter Ausstellungsort für (junge) Expressive, Schwerpunkt: DDR-Dissidenten. Ein großes, einladendes Haus war das, dessen Ausstellungseröffnungen und „Galerie-Konzerte“ die Kulturszene anzogen. 1990 brach Steinbrecher plötzlich seine Zelte in Bremen ab. Er ging dahin, wo seine ehemals oppositionellen DDR-Freunde die Ärmel aufkrempelten zum Aufbau Ost. Der Bremer wollte mitkrempeln, verkaufte die Galerie und zog mitsamt seiner großen Familie nach Potsdam. Der Rest ist ein großer biografisch-politischer Wirrwarr, in dessen Verlauf Steinbrecher sowohl privat wie auch als Galerist und Kultur-Aufbauhelfer Schiffbruch erlitt. Jetzt kehrt der verlorene Sohn nach Bremen zurück. So zurückzukommen, ist natürlich ökonomisch und auch biographisch ein Wagnis, auf welches sich Steinbrecher allerdings mit Elan und Freude einläßt.

Als er Bremen mit wehenden Fahnen verließ, beklagte er in einem taz-Interview „einen steten Abstieg innerhalb der Kulturschiene“. Gute Leute würde man ziehen lassen, Avantgarde und „Pep“ draußen halten. Zur Kunsthalle fiel ihm nur „gähnende Langeweile“ ein. Bis auf die Kunsthalle, deren neuen Chef er jetzt preist („Der macht richtig Dampf! Die Plakate hingen in München!“) ist seine Analyse unverändert: „Verschärfter Kulturabbau“. Steinbrecher möchte in Bremen nicht nur Bilder verkaufen, sondern auch kulturpolitisch mitmischen. Ein „runder Tisch Kultur“ soll her, wie er einem in Potsdam vorsaß. Visionen! Brainstorming! Der könnte allerlei spektakuläre Einzelprojekte anzetteln, wie wär's mit einem großen Forum für Videokunst oder mal einer großen Schau „Afrika Kunst“. „Pralle Malerei!“ schlägt der künftige Vertreter für pralle Malerei in Bremen vor. „Diese Installationskunst mag doch kaum mehr jemand sehen!“

Im Kleinen will Steinbrecher vormachen, wie es geht. Seine neue Galerie am Dobben wird „den alten Salongedanken“ aufnehmen; bildende Kunst, Musik, Theater, Literatur, Gesprächsrunden, all das soll sich im Haus Nummer 123 versammeln, um sich zu befruchten usw. Am 2. Februar um 20 Uhr geht's los mit einer Gemeinschaftsausstellung von Berliner und Bremer Künstlern, Chansons und Barockmusik. Titel: „Tanz auf dem Vulkan“. Das ist sowohl biografisch als auch politisch gemeint, sogar an den taumelnden Bremer Konzern darf man dabei denken.

Wo taz drin war, soll also gerade keine Bildergruft rein, die einmal im Monat zum Leben erwacht. Vielleicht wird es sogar noch ein bißchen nach Zeitumg riechen, wenn Chris Steinbrecher in einem Monat seinen Tanz beginnt.

BuS