taz 2.1.1995: Nur Kriminalität?
■ Gelungenes Silvesterfest, offene Fragen
Daß es kein richtig ausgelassenes Silvester-Fest auf der Straße geworden ist, das lag sicherlich mehr am Wetter und an den Sektflaschen-Scherben auf der Straße als an den paar Minuten, in denen das Katz- und Maus-Spiel der Krawall-Kids und der Polizei alles durcheinanderbrachte. Die Idee, der Silvester-Sielwall-Tradition mit einem Fest beizukommen, ist – soweit es ging – gelungen. In einer Nacht, in der alle ihre Freude am möglichst lauten Knallen austoben, sich betrinken und öffentlich jauchzend Sektflaschen zerschlagen, wird man nicht verhindern können, daß ein paar 16jährige einen kleinen Schritt weitergehen.
Wenn es aber stimmt, daß es nicht nur 100 überdrehte 16jährige waren, sondern auch drei Dutzend sonst politisch denkender „Autonomer“, dann stellen sich andere Fragen. Wer verantwortet die Brutalität, mit der andere Bewohner des Ostertors bis hin zu dem mutigen grünen Ortsamtsleiter ins Gesicht geschlagen wurden? Wer verantwortet die selektive Zerstörung der Schaufenster bei kleinen Lädchen und alteingessessenen Ostertorschen? In den Erklärungen des Sielwall-Hauses erkennen wir keine Begründung für derartiges.
Wenn es eine „autonome“ Szene in Bremen gibt, dann muß sie sich dazu artikulieren. Sonst geben die, die in der Silvester-nacht das Fest zerstören wollten, der Polizei recht, die darin nicht mehr als unpolitische Kriminalität erkennen kann. Klaus Wolschner
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